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    18.11.2022

    PRESSE: Und jetzt noch Funktionärin – Kati Wilhelm

    Als Biathletin hat Kati Wilhelm alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Nur die Heim-WM 2004 in Oberhof verläuft für die dreifache Olympiasiegerin nicht nach Wunsch. Das zweite Leben nach dem Leistungssport gestaltet sich facettenreich wie ihre Laufbahn.

    Kati Wilhelm ist multibeschäftigt. Mutter, Restaurantbesitzerin, Trainerin, ARD-Expertin, Wasalauf-Pionierin, Motivationslehrerin – und seit einigen Tagen als Vizepräsidentin des Thüringer Skiverbandes auch noch Funktionärin. „Ich bin in der privilegierten Situation, mir den Tag selbst einteilen zu können“, betont die dreifache Biathlon-Olympiasiegerin bei einem Besuch unserer Zeitung in ihrer schönen Heimatstadt Steinbach-Hallenberg.

    „Als Übungsleiterin habe ich viel mehr Einblick in die Arbeit an der Basis, sehe manche Baustelle“, sagt sie. Es gebe durchaus einige Dinge, die der Thüringer Skiverband besser machen könne. Beispielsweise die Kinder mit dem Sport länger bei Laune zu halten oder den Übergang ans Sportgymnasium besser zu gestalten. Kati Wilhelm: „Ja, einige Dinge laufen nicht optimal, und Weltspitze verkörpert der Bundesstützpunkt in Oberhof schon lange nicht mehr.“ Klare Worte. Als Funktionärin könne sie mehr Einfluss nehmen, Dinge zu verändern. Ihre Kandidatur hatte bereits im Vorfeld für Aufsehen gesorgt, unterstützte sie doch Gegenkandidat und Herausforderer Kay-Guido Jäger. Doch auch unter dem alten und neuen Präsidenten Frank Eismann will sie tatkräftig anpacken.

    Kati Wilhelm bekennt Farbe – nicht nur wegen ihrer roten Haare – vertritt ihren Standpunkt, hat Ideen, bringt sich ein. So auch als Trainerin in Steinbach-Hallenberg, wo aus dem Aushilfsjob eine Berufung geworden ist. „Nachdem unser hauptamtlicher Trainer weg ist, müssen wir uns etwas durchwursteln. Ich bin mittlerweile als Betreuerin der Kombinierer-Trainingsgruppe integriert“, gibt sie Auskunft. Rund 15 Kids von der 1. bis zur 6. Klasse, darunter ihre Kinder Lotta (10) und Jakob (7) lernt sie zweimal pro Woche an, legt beim Lauftraining größten Wert auf die Lauftechnik. „Das macht sie ganz hervorragend. Es ist ein Genuss, dabei zuzuschauen“, lobt Wolfram König, Vizepräsident im SC Steinbach-Hallenberg. Offen wirbt sie um eine Kooperation mit den Langläufern im Heimatverein, um eine größere Verzahnung zwischen den Vereinen und Disziplinen.

    Schon als Sportlerin ist Kati Wilhelm oft den unbequemen Weg gegangen, hat überraschende Abbiegungen genommen, hat gegen Widerstände gearbeitet. „Ich hatte keine Angst vor Veränderungen“, bekennt sie, „und wenn die Dinge auf wenig Verständnis getroffen sind, war ich noch mehr motiviert, habe noch mehr Ehrgeiz und Akribie an den Tag gelegt.“ So wie nach dem Umstieg vom Langlauf zum Biathlon, so wie nach ihrem sportlichen Wechsel nach Ruhpolding im Anschluss an die verkorkste Heim-WM 2004 in Oberhof. „Abends zur WM bei einem Bier habe ich diese Entscheidung getroffen“, erinnert sie sich.

    Parallelen zum normalen Leben

    Die heute 45-Jährige erinnert sich noch sehr genau an ihre große aktive Karriere mit so vielen Höhepunkten und einigen Enttäuschungen. „Vor der WM in Oberhof war ich die ganze Saison nicht in Form. Ich wusste praktisch schon vor dem ersten Start, dass es nicht funktioniert. Die Form hat einfach nicht gepasst“, sagt sie. Hinzu seien die komplizierten äußeren Bedingungen mit Neuschnee und Regen gekommen, dazu der Druck von außen, der sich durch ihre Nominierung als Fahnenträgerin noch potenziert habe. „Im Sprint hatte mich Liv Grete Poiree schon beim ersten Schießen eingeholt…“, weiß sie selbst kleinste Details. Immerhin: Mit Staffel-Bronze für die deutschen Frauen fand das Heimspiel auch für Kati Wilhelm noch ein halbwegs versöhnliches Ende. Und: „Die Stimmung ist geil gewesen, aber es ist eben auch blöd, wenn du das nicht richtig genießen kannst.“

    Einen Winter nach Oberhof und einen Sommer nach dem Wechsel nach Ruhpolding war Kati Wilhelm wieder die Alte, bestimmte das Laufniveau mit, feierte Siege, wurde Zweite im Gesamtweltcup. Die größte Bestätigung für ihre nimmermüden Mühen fand sie neben den drei Olympiasiegen im Jahr 2009 bei der Weltmeisterschaft im fernen Pyeongchang im reifen Alter von 32 Jahren – als Doppel-Weltmeisterin in Sprint und Einzel, dem Ritterschlag im Biathlon. „Zuvor durfte ich als ehemalige Langläuferin im Einzel über 15 Kilometer ja nie mitmachen, weil der Wettkampf so schießlastig ist. Und dann war ich plötzlich Weltmeisterin“, erzählt sie. Zu Tränen gerührt kletterte sie nach der Siegerehrung vom obersten Podest. Ärgerlich nur: In Südkorea interessierte sich kein Fan für die WM-Sieger, ganz im Gegensatz zu Oberhof 2004.

    Ihre großen Erfahrungen als Sportlerin teilt Kati Wilhelm mittlerweile bei Vorträgen (zum Schwerpunktthema Entscheidungen), zu denen sie von Unternehmen gebucht wird. „Zwischen Sport und normalem Leben gibt es durchaus Parallelen, gerade in der Entscheidungsfindung oder bei einem Entscheidungsprozess“, erklärt sie: „Beim Schießen konnte ich trotz aller Renntaktik nie eine Pro- und Contra-Liste aufstellen, da musste ich immer intuitiv entscheiden.“ Ihr Rat: Mal was riskieren, mal was investieren, das zahle sich oft aus.

    Wiederholung denkbar

    So wie ihre Entscheidung, vor acht Jahren in Steinbach-Hallenberg mit dem Heimatlon ein Restaurant zu eröffnen. Von Mitte November bis Ende April blieb die Gaststätte wegen Corona erneut geschlossen, der Neubeginn gestaltet sich zäh. „Ich konnte dafür die Zeit mit meinen Kindern gut nutzen“, bekennt sie. So ging es zunächst mit Tochter Lotta, die als Nordische Kombiniererin schon über 25 Meter weit springt, und Sohnemann Jakob Anfang März zum Wasalauf nach Schweden. Die Kinder absolvierten beide den 10-Kilometer-Lauf, die Mama praktisch aus dem Stehgreif die 90-Kilometer-Distanz.

    „Ich hatte keinerlei Ambitionen, und dafür lief es richtig gut“, berichtet Kati Wilhelm, die vorher im Wettkampf als Langläuferin maximal 30 Kilometer oder im Training mal 50 Kilometer gelaufen war. Nach gut sechs Stunden war die Schinderei vorbei, eine Wiederholung ist sehr wahrscheinlich: „Das könnte ich mir durchaus wieder vorstellen.“ Wie auch den gemeinsamen Ski-Urlaub in den Osterferien in Norwegen ganz in Familie – mit ihren beiden skibegeisterten Kindern und ihrem langjährigen Lebenspartner Andreas Emslander.

    Quelle: Thomas Sprafke / inSüdthüringen.de