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    26.08.2016

    INTERVIEW: „Die Jugend muss motiviert werden“

    Sieben Olympische Medaillen, 13 Weltmeisterschafts- sowie 37 Weltcupsiege: Auch sechs Jahre nach ihrem Ausstieg aus der Loipe gehört die Thüringerin Kati Wilhelm zu den erfolgreichsten deutschen Biathletinnen. Heute hat die Mutter einer vierjährigen Tochter und eines zweijährigen Sohnes nicht nur ein Auge auf den (sportlichen) Nachwuchs, sondern setzt sich auch für die Heranwachsenden ein, mit denen es das Leben weniger gut gemeint hat. Als Botschafterin des StaplerCup hilft e. V. macht sie sich für das Kinderhospiz Mitteldeutschland stark. FRIZZ Das Magazin hat vorab mit dem sympathischen Rotschopf gesprochen.

    FRIZZ Das Magazin: Herzlichen Glückwunsch! Vor wenigen Tagen sind Sie 40 Jahre alt geworden. Eine Zahl, vor der Sie Respekt hatten?
    Kati Wilhelm: Naja, es macht irgendwie immer jemand etwas besonderes daraus – obwohl es danach auch nicht anders ist als vorher (lacht)!

    2010 haben Sie Ihre Karriere beendet. Wie schwer war der Ausstieg aus der Loipe?
    Ich fand es gar nicht so schwer, weil ich mich bewusst dazu entschieden hatte. Es ist nun mal klar, dass man Spitzensport nicht ewig machen kann. Und ich habe immer gesagt, dass ich möglichst dann aufhören will, wenn ich noch gut bin. Nach den Olympischen Winterspielen in Vancouver war ein guter Zeitpunkt, um den Schlussstrich zu ziehen. Da ich genug Pläne hatte, konnte ich mich auch gleich auf viele neue Dinge stürzen – ich habe mein Studium (Internationales Management, Anm. d. Red.) beendet, den Expertenjob übernommen und mich um Nachwuchs gekümmert.

    Außerdem sind Sie unter die Gastronominnen gegangen …
    Ja! Das war aber erst später, als ich das zweite Mal schwanger war und mir langweilig wurde – da habe ich das Restaurant HEIMATLON in Steinbach-Hallenberg aufgemacht.

    Biathlon-Expertin, Moderatorin, Referentin, zweifache Mutter, Gastronomin – wie viele Stunden haben Ihre Tage?
    Zu wenige, leider (lacht)! Meine Nächte sind immer etwas kurz. Kaum habe ich abends die Kinder im Bett, geht meine Büroarbeit los. Vor allem bis zum Zehnten des Monats, denn dann steht immer die Buchhaltung an …

    Sie stellen also für das Heimatlon nicht nur Ihren berühmten Namen zur Verfügung, sondern packen auch selbst an?
    Ja, ich stehe oft selbst hinter der Theke. Wenn ich nicht unterwegs bin, bin ich auch jeden Tag im Lokal – sobald die Kinder im Kindergarten sind.
    Der Nachmittag gehört dann meinen Kindern,ansonsten habe ich auch noch Oma und Opa, ohne die ginge es nicht. Sie wohnen bei uns im Haus und so ist die „Kinderübergabe“ relativ problemlos (lacht).

    Wie viel Platz findet Sport momentan?
    Der kommt leider zu kurz. Aber ich merke schon, dass er mir fehlt, schließlich ist er auch für den Kopf ganz gut. Aber meine Freizeit möchte ich lieber mit meinen Kids verbringen als stundenlang alleine im Wald herumzurennen. Deshalb müssen wir dann immer etwas suchen, wo die beiden mitkönnen – entweder wir radeln mit den Anhängern los oder wir wandern. Und im Winter haben wir die Kinder in Norwegen einfach in Pulkas (Transportschlitten für Wintertrekkingtouren, Anm. d. Red.) gepackt.

    Mitte September sind Sie Stargast der StaplerCup-Night. Haben Sie schon einmal Runden mit einem Gabelstapler gedreht?
    Bisher noch nicht!

    Beim StaplerCup geht es um Präzision, Schnelligkeit und Disziplin. Ein unschlagbares Trio, dass Ihnen alles andere als fremd sein dürfte, oder?
    Eigentlich schon! Allerdings war mein Sportgerät kleiner und handlicher … Aber es ist Wahnsinn, was Profis mit dem Gabelstapler anstellen können.

    Was haben Sie aus den Jahren als aktive Spitzensportlerin mitgenommen?
    Dass man sich Ziele setzen muss. Und Motivation braucht, um tagtäglich zum Training zu gehen. Man braucht jeden Tag eine Aufgabe, an der man arbeiten will. Und Ehrgeiz. Ich weiß nicht, ob ich ihn gelernt oder mitgebracht habe, aber ich habe ihn. Und man muss lernen, auch mit Niederlagen umzugehen, um die Motivation auch nach Rückschlägen zu behalten. Außerdem habe ich von klein auf gelernt, auch mit wenig Freizeit auszukommen und auf das ein oder andere zu verzichten.

    Anfang Juli fand das vierte KatiCamp statt, bei dem Sie die größten Biathlon-Nachwuchstalente Deutschlands nach Oberhof einladen. Weshalb liegt Ihnen diese Form der Förderung so sehr am Herzen?
    Ich glaube, dass die Jugend motiviert werden muss. Das ist heute wahrscheinlich sogar schwieriger, als es bei uns damals war. Es gab einfach nicht so viele Sachen, mit denen man sich die Zeit vertreiben konnte. Man ist auch häufiger am Ball geblieben, wenn man einigermaßen gut war. Deshalb liegt es mir am Herzen, ihnen zu zeigen, dass man Vertrauen in sie hat und ihnen zutraut, erfolgreich sein zu können – auch wenn man erklären muss, dass der Weg nicht immer leicht ist und man viel dafür tun muss.

    Wie sieht es beim Biathlon an der Nachwuchsfront aus?
    Ganz gut – auch wenn nicht mehr die Breite da ist, die es zu meiner Zeit gab. Deshalb muss man noch sorgsamer mit den womöglichen Talenten und Begeisterten umgehen.

    Verraten Sie abschließend, mit welcher Herausforderung es Kati Wilhelm demnächst aufnimmt?
    Wohl mit dem Gabelstapler fahren (lacht)! Darüber hinaus muss ich mich für ein Einladungsrennen wieder auf meine Skiroller stellen – das ist insofern eine Herausforderung, weil ich schon lange nicht mehr auf ihnen gestanden habe.
    Im persönlichen Bereich möchte ich lernen, mit der 40 und den womöglich damit verbundenen Wehwehchen umzugehen.

    Vielen Dank für das Gespräch!

    NINA MÄHLISS / FRIZZ Aschaffenburg