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    21.07.2016

    INTERVIEW: An den roten Haaren „bin ich selbst schuld“

     

    Seit mehr als einer Dekade kommt Kati Wilhelm, ehemalige Weltklasse-Biathletin, zu ihrer Friseurin Jutta Gsell eigens nach Bad Mergentheim. Mit Klaus T. Mende von den Fränkischen Nachrichten sprach sie im Salon Kopfkunst, wie es dazu gekommen ist. Ebenso spricht die Thüringerin über ihr Leben nach der aktiven Karriere, das für sie sehr viele Aufgaben zu bieten hat.

    Frau Wilhelm, wie definieren Sie den Begriff Glück?
    Wilhelm: Mir ist wichtig, dass diejenigen, die um mich herum sind, meine Familie, zufrieden und gesund sind und man genug Zeit füreinander hat – und das, was man sich vornimmt, umsetzen kann. Das bedeutet für mich glücklich sein.

    Demzufolge sind Sie derzeit absolut glücklich?
    Wilhelm: Jetzt im Moment, wo ich wieder eine frische Haarfarbe habe, sowieso (lacht). Ansonsten gibt es aber genug Baustellen im Hintergrund. Doch zwischendurch gibt es immer wieder kleine Dinge, die einen glücklich und zufrieden machen.

    Fällt es Ihnen leichter, Sorgen und Probleme des Alltags zu umschiffen, wenn Sie mit einer positiven Einstellung in den Tag starten?
    Wilhelm: Sicher sollte man positiv denken. Aber es gibt ab und zu Hindernisse oder Probleme, hier bin ich nicht diejenige, die darüber hinweglächeln kann.

    Wie schwer ist Ihnen 2010 die Entscheidung gefallen, Gewehr und Langlaufski in die Ecke zu stellen und sich neuen Herausforderungen zu stellen?
    Wilhelm: Nicht so leicht, ich habe viel drüber nachgedacht. Wichtig war für mich, selbst die Entscheidung zu treffen, weiterzumachen oder aufzuhören. Aufgrund der Gewissheit, dass ich alles erreicht habe was ich erreichen wollte, und weil ich wusste, dass andere Aufgaben auf mich warten, ging es leichter als gedacht.

    Solch eine neue Herausforderung war die Eröffnung Ihren Cafés Heimatlon in Steinbach-Hallenberg. Weshalb haben Sie sich dazu entschieden, in der Gastronomie ein weiteres berufliches Standbein zu schaffen?
    Wilhelm: Mittlerweile ist es mehr ein Restaurant mit einem reichhaltigen Angebot an leckerem Essen und Getränken. Ich war der Meinung, es bräuchte so etwas in meinem Heimatort und wollte das irgendwie umsetzen. Es gibt Touristen und wir haben eine tolle Gegend. Es wird kulinarisch und kulturell etwas geboten. So etwas ist gut für Stadt und Region – dies war meine Idee dahinter.

    Erleben die Gäste Sie auch mal leibhaftig in der Küche?
    Wilhelm: In der Küche nicht, vielleicht beim Getränke ausschenken, vielleicht darf ich auch bei einem Menü die Deko auf die Teller legen. Ansonsten überlasse ich das lieber dem Koch. Aber am Tresen bin ich hingegen schon recht fit, da helfe ich mit.

    Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Gastronomie, Mutter zweier Kinder, ARD-Biatlhlonexpertin und regelmäßigen Vorträgen vor großem Publikum?
    Wilhelm: Mit viel Hilfe von Oma und Opa – ansonsten muss man immer wieder ein paar Abstriche machen. Klar könnte ich, wenn ich das Lokal nicht hätte, noch mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen. Mir ist wichtig, dass ich da die Balance halte. Es ist eine tolle Abwechslung zum Mama-sein. Mir macht auch beruflich die Arbeit mit dem Team viel Spaß, dann fällt es nicht so schwer, wenn man so viel Zeit opfert.

    In Ihren Vorträgen vermitteln Sie, wie man Entschiedenheit lernt. Wie klappt das?
    Wilhelm: Es geht darum, dass man im Leben etwas riskiert und sich traut, Veränderungen einzugehen. Veränderungen bedeuten Fortschritt. Ich erkläre dies an Beispielen, die sich durch meine Karriere gezogen haben. Jeder muss selbst den Weg dazu finden. Es gehört aber etwas Mut dazu. Doch man muss auch etwas investieren, will man etwas erreichen.

    Sie sagen, dass es dabei auf die richtige Mischung an rationalen und intuitiven Entscheidungen ankommt. Was hat für Sie den höheren Stellenwert?
    Wilhelm: Ich bin ein Bauchmensch. Ich überlege mir zwar alles sehr genau, wäge ab und überdenke schon mal eine Entscheidung. Aber ich lasse mich sehr von meinem Bauch steuern. Wenn ich das Gefühl habe, dass mir das guttut und ich mich darauf freue, merke ich das. Dann trifft man die Entscheidung viel leichter.

    Mittlerweile haben Sie Ihr Studium „Internationales Management“ in Ansbach mit Erfolg abgeschlossen. Wie wollen Sie dieses Wissen künftig beruflich nutzen?
    Wilhelm: Als Unternehmerin in einem Lokal gibt es genug Möglichkeiten, auf sein Wissen, das man sich angeeignet hat, zurückzugreifen. Ansonsten habe ich bisher keine weiteren Pläne. Es war für mich wichtig, neben dem Sport meine berufliche Karriere voranzutreiben, was einem auch Sicherheit gibt.

    Wie schalten Sie ab?
    Wilhelm: Abschalten? Vielleicht irgendwann einmal, wenn ich im Bett liege (lacht). Ansonsten, wenn ich mit meinen Kindern Zeit verbringen kann.

    Wie ist der Kontakt zu Jutta Gsell und „Kopfkunst“ hier in Bad Mergentheim entstanden?
    Wilhelm: Das war Zufall. Es ging um mein erstes Foto-Shooting, das ich nach Salt Lake City 2002 hatte. Die Agentur, die damals in Würzburg war, hatte dieses Shooting organisiert. Ich sagte, dass ich vorher zum Friseur müsse. Eine Mitarbeiterin der Agentur, inzwischen meine Freundin, war hier Kundin, deswegen bin ich auch hier.

    Und wer oder was war „schuld“ an Ihrem optischen Markenzeichen, den roten Haaren?
    Wilhelm: Daran bin ich selbst schuld. Als ich zum Biathlon gewechselt bin, dachte ich mit, ich müsste auch meine Haarfarbe wechseln. Da habe ich in einer Drogerie etwas gekauft, was nach Rot aussah. So fing es an.

    Wie nutzen Sie Ihren Bekanntheitsgrad, um Ihren Sport nach vorn zu bringen?
    Wilhelm: Ich hoffe, dass ich durch mein Vorbild und dadurch, dass ich im Fernsehen zu sehen bin, noch mehr Leute für den Sport begeistern kann. Ich bin auch ab und zu an Schulen zu Gast, um dort etwas über den Beruf Leistungssportler zu erzählen. Ansonsten versuche ich einmal im Jahr mit meinem Kati-Nachwuchs-Camp in Oberhof mit jungen und schon erfolgreichen Biathleten aus ganz Deutschland ein Wochenende zu verbringen, sie zu unterstützen und zu bestärken, sich für den Leistungssport entschieden zu haben.

    Wieso gelingt es in Deutschland, im Biathlon, im Gegensatz zu anderen Sportarten, erfolgreich Nachwuchs zu rekrutieren?
    Wilhelm: So leicht tun wir uns nicht mehr. Es sieht zurzeit ganz gut aus. Aber die Breite, die es früher gab, ist nicht mehr da. Biathlon ist ein erfolgreicher Sport, wird medial sehr gut aufbereitet, hat viele Fans und kommt regelmäßig im Fernsehen. Dadurch lassen sich mehr junge Leute begeistern. Und man kann mittlerweile ganz gut Geld verdienen, dies ist auch ein Grund. Das spricht alles für Biathlon.

    Sie sind Patin der Organspende-Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Wie kam es dazu, wie wichtig ist Ihnen dieser Einsatz?
    Wilhelm: Ich bin auch wegen meines Bekanntheitsgrades gefragt worden, ob ich Lust hätte mitzumachen, Aufklärungsarbeit zu leisten. Es geht nicht darum, den Leuten zu sagen, ihr müsst jetzt Organspender werden. Es geht vielmehr darum, dass sie sich mit den Fakten beschäftigen, mit der Sache Organspenderausweis. Hier kann ich zu Lebzeiten entscheiden, ob ich es möchte oder nicht. Es den Familienmitgliedern zu überlassen, ist falsch, dies sollte man selbst entscheiden. Darum geht es bei der Kampagne.

    Sie haben auch einen Organspenderausweis?
    Wilhelm: Natürlich.

    Gibt es Wünsche, die Sie sich erfüllen möchten?
    Wilhelm: Ich möchte viel Zeit für meine Kinder haben, mit ihnen viel erleben, ihnen ein gutes Vorbild sein. Zudem wünsche ich mir Gesundheit für mich und meine Familie.

    Welche berufliche Pläne sind von Ihnen in absehbarer Zeit zu erwarten? Bleiben Sie ARD-Biathlonexpertin?
    Wilhelm: Wir sind im Gespräch. Wenn wir uns über die Einsätze einig werden – ich kann aus familiären Gründen nicht bei allen Rennen dabei sein – und ich denke, wir schaffen das, werde ich da dabei sein.

     

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