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    10.05.2016

    INTERVIEW: Fokussieren lernen

    Manager müssen sich auch unter Druck und Dauerstress auf den Punkt genau konzentrieren. Wie kann das gelingen? Fragen an die ehemalige Weltklasse-Biathletin Kati Wilhelm.

    Wie hoch ist eigentlich der Puls, wenn ein Biathlet zum Schießstand kommt? Bei mir lag er bei 160, beim Schießen ging er runter auf 150.

    Das ist sehr hoch. Ja, wir ticken anders als normale Sportschützen, die vor dem Schuss ewig ruhig liegen können. Wir powern uns auf der Strecke komplett aus. Unter 130 Schläge sollte es bei uns beim Schießen nicht gehen, sonst ist das Treffen kaum noch möglich.

    Wie schafft man es trotz hohem Puls, ins Schwarze zutreffen? Es geht viel über die Atemtechnik: Man versucht den Atem zu beruhigen, denn um den Schuss anzubringen, müssen wir kurz die Luft anhalten können. Man atmet aus, die Waffe nähert sich dem Schwarzen. Kurzer Atemstopp, zielen, abdrücken und hoffentlich treffen.

    Wie blendet man das Publikum und andere Störfaktoren aus? Das kann man nicht ganz ausblenden. Man darf es aber nicht an sich rankommen lassen. Man muss sich auf die eigene Sache konzentrieren. Wie kann das funktionieren? Ich habe einen eingespielten Ablauf gehabt, was ich in welcher Reihenfolge mache: auf die Windfahnen achten, Unterstützungsriemen prüfen, Klappen am Diopter und am Korntunnel öffnen, Waffe an der Wange spüren, Magazin einführen, repetieren und so weiter. Automatismen helfen einem, sich zu fokussieren, auch wenn man nervös ist. Das ist auch im normalen Job so.

    Wie geht man mit Fehlschüssen um? Jeder macht Fehler, wichtig ist es, nicht zu resignieren. Man muss positiv denken und das Bestmögliche für den Tag rausholen. Ein Rennen ist erst im Ziel entschieden, im Biathlon kann während des Wettkampfs noch so viel passieren.

    Was kann ein Manager von einer Biathletin lernen? Dass man sich immer auf das konzentriert, was gerade wichtig ist. Sonst geht es schief. Ein Beispiel: Wenn ich beim Schießen daran denken würde, dass meine Ski nicht in Ordnung sind, schneide ich nicht nur beim Laufen, sondern auch am Schießstand schlecht ab.

    Was haben Sie als Leistungssportlerin ins Berufsleben mitgenommen? Ein sehr gutes Zeitmanagement, Akribie, Perfektionismus und wie man mit Niederlagen umgeht. Außerdem viel Ehrgeiz, im normalen Leben vermisse ich manchmal die Vergleichbarkeit, das Feedback. Als Sportler will man sich immer gerne messen.

    Zur Person: Kati Wilhelm gehört zu den erfolgreichsten deutschen Biathleten. In ihrer aktiven Zeit holte die Thüringerin drei olympische Goldmedaillen und fünfmal Gold bei Weltmeisterschaften. 2010 beendete sie ihre Karriere, heute begleitet die 39-Jährige die Biathlon- Wettbewerbe in der ARD und tritt als Rednerin bei Veranstaltungen auf.

    Quelle: energieimpulse » Journal für Businesskunden der Sales & Solutions GmbH / 1-2016