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11.02.2016
WM OSLO: Bei der Weltmeisterschaft sind acht Medaillen drin
In der aktuellen Ausgabe der SPORTBILD sprach Dirk Schlickmann mit der dreifachen Olympiasiegerin und fünfmaligen Weltmeisterin über die bevorstehende Weltmeisterschaft. Seit dem Karriereende 2010 arbeitet sie als TV-Expertin und ist natürlich auch in Oslo mit dabei.
SPORTBILD: Frau Wilhelm, bei den Olympischen Spielen 2014 lag das deutsche Biathlon am Boden, die Frauen holten keine einzige Medaille. Jetzt steht man glänzend da. Was ist passiert?
Kati Wilhelm (39): Dass eine Laura Dahlmeier und Franziska Preuß richtig gut sind, wusste man schon damals. Aber Sotschi kam für sie zu früh. Auch die Trainer waren mit der Situation überfordert. Man war es gewohnt, Olympiasiegerinnen und Weltmeisterinnen in den eigenen Reihen zu haben, nicht so junge Athletinnen. Dann kam auch noch der Dopingfall Evi Sachenbacher-Stehle, der alle geschockt hat. Aber Hut ab, wie schnell man die Kurve gekriegt hat. Alle haben sich geschüttelt und zeigen jetzt, wie es geht.
Als Trainer kam Tobias Reiter neu für Ricco Groß. Welche Rolle spielt er?
Kati: Er ist sehr wichtig, weil er die Mädels schon sehr lange aus dem Jugendbereich kennt. Sie haben einen ganz anderen Zugang zu ihm und vertrauen sich ihm an.
Wer hat das größte Potenzial bei den deutschen Frauen?
Kati: Was man bisher gesehen hat, Laura Dahlmeier. Sie macht einen unheimlich abgebrühten Eindruck und ist für ihre Alter extrem weit. Aber ich denke, Franziska Preuß hat ein ähnliches Potenzial wie die Laura, läuferisch und auch am Schießstand. Da ist sie manchmal noch zu nervös und schießt zu schnell. Aber sie wird sich weiterentwickeln.
Dahlmeier offenbarte im SPORT BILD-Interview Gedanken an ein frühes Karriereende...
Kati: Das hat mich auch sehr überrascht. Auch da ist sie offenbar schon weiter, als sie sein müsste. Es ist ja schön, wenn sie noch andere Interessen hat. Dann fällt man nach der Karriere nicht in das berühmte Loch. Das bringt ihr vielleicht auch die nötige Lockerheit, sie versteift sich nicht nur auf Biathlon. Aber mal abwarten. Sie will bestimmt schon noch ein bisschen was gewinnen.
Was ist bei der WM im März in Oslo drin?
Kati: Nach den Vorleistungen sind acht Medaillen möglich. Fünf bei den Frauen, drei bei den Männern. Das wäre eine tolle Ausbeute, die aber realistisch ist.
Die goldenen Zeiten im Biathlon gehen also weiter...
Kati: Wir sind gut aufgestellt. Aber es ist schwieriger als früher. Es kommen weniger Talente nach, die man umso intensiver suchen und fördern muss.
Warum kommen weniger Talente nach?
Kati: Weil es andere Dinge gibt, die weniger weh tun. Wer ist heute noch bereit, sich zu quälen? Der Sport ist auch teuer. Nicht jeder kann sich das leisten. Der weniger werdende Schnee kommt hinzu. Als Zehnjähriger kann man nicht mal eben nach Skandinavien reisen, um gute Trainingsbedingungen zu haben.
Interview: Dirk Schlickmann für SPORTBILD Ausgabe 6 vom 10. Februar 2016