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    13.02.2013

    "Ich weiß, dass meine Klamotten polarisieren"

    inSüdthüringen.de - Mutter, Studentin, ARD-Expertin: Kati Wilhelm ist auch im Biathlon-Ruhestand eine beschäftigte Frau. Wir trafen uns bei der WM in Nove Mesto mit der dreifachen Olympiasiegerin aus Steinbach-Hallenberg zum Gespräch.

    Frau Wilhelm, was trauen Sie der deutschen Mannschaft nach dem schwachen Auftakt in der Mixed-Staffel noch zu?
    Man sollte erst die Sprints abwarten, um die derzeitige Leistungsfähigkeit richtig einschätzen zu können. Die Mixed-Staffel allein ist noch nicht aussagefähig genug.

    Worin sehen Sie die Gründe für den Fehlstart mit Platz 13?
    Kein einziger der vier deutschen Starter hat ein wirklich gutes Rennen gemacht. Sie sind von Anfang an einem Rückstand hinterhergelaufen und haben nicht nur auf der Runde, sondern auch am Schießstand sehr viel Zeit verloren. Am enttäuschendsten war sicherlich der große Laufrückstand von Miri Gössner, da sie als größte Medaillenkandidatin gehandelt wird. Daran hat sich für mich aber nichts geändert. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sie in ihrer Paradedisziplin, dem Sprint, mit dem Misserfolg klar kommt.

    Und die Männer?
    Hier ist Andreas Birnbacher die große Hoffnung. Bei Arnd Peiffer hat es in diesem Winter noch nicht richtig gefunkt, folglich fehlt ihm die Sicherheit.

    Sind Sie von der Nominierung Erik Lessers für den Sprint überrascht?
    Man konnte nicht unbedingt erwarten, dass er schon am Wochenende starten darf. Seine letzten Trainingsleistungen haben wohl die Trainer überzeugt. Damit steigen für ihn die Chancen auf einen Staffel-Einsatz.

    Seit wann sind Sie hier vor Ort?
    Schon seit Montag, und am Montag geht es auch wieder nach Hause. Danach übernimmt das ZDF.

    Ist Töchterchen Lotta dabei?
    Ich habe sie zum ersten Mal daheim bei der Oma gelassen. Man sagte mir vorab, die Infrastruktur und das Hotel wären nicht die besten.

    Und wie sind die Arbeitsbedingungen?
    Sehr gut, obwohl wir diesmal ohne Studio auskommen müssen.

    Läuft Ihr Vertrag bei der ARD noch bis 2014?
    Er geht von Saison zu Saison, aber ich hoffe, dass wir die Zusammenarbeit bis zu den Olympischen Spielen in Sotschi fortführen werden.

    Und nach Sotschi?
    Mal sehen. Ich bin bezüglich meiner beruflichen Zukunft völlig relaxt und habe dank meines Studiums verschiedene Optionen.

    Es heißt, Sie würden gern mehr moderieren?
    Das stimmt, und es gibt diesbezüglich auch einige Anfragen. Dieser Job reizt mich sehr. Deshalb werden Christian Schenk und ich im März den Mitteldeutschen Olympiaball in Leipzig moderieren. Ich mache das in dieser Größe zum ersten Mal und bin heute schon ein bisschen aufgeregt. Ich will einfach sehen, ob mir die Sache liegt oder nicht.

    Haben Sie Ihr Studium mittlerweile beendet?
    Nein, aber ich liege mit meiner Bachelor-Arbeit in den letzten Zügen. Das Thema lautet: Abhängigkeit und Wechselwirkung von Spitzensport und Tourismus in Oberhof. Dazu habe ich eine Umfrage gestartet. Die Rückmeldungen der Hotels nach den Weltcups in Oberhof und die Resonanz allgemein sind sehr beachtlich. Vergangene Woche war ich deshalb nochmals in Oberhof, denn ich wollte auch Leute ansprechen, die abseits der Sportereignisse die Stadt besuchen.

    Als ARD-Biathlon-Expertin sorgen Sie mit Ihren Outfits in den Wohnstuben mitunter für Staunen. Haben Sie für die WM-Übertragungen am Wochenende noch etwas Spezielles in petto?
    Ich weiß schon, das meine Klamotten polarisieren und meine Jacken manchmal ein bisschen schrill sind. Aber mir gefällt das, und ich freue mich, mit meinen Outfits für Gesprächsstoff zu sorgen. Leider sehen die Zuschauer nur ganz selten meine Hosen, denn die sind noch bunter als die Jacken und Mützen. Für das WM-Wochenende habe ich mir extra noch etwas aufgehoben. Ich mag das Spiel mit der Mode.

    Was haben Sie sich noch aufgehoben?
    Eine neue Jacke.

    Und Ihre Haare? Sind Sie vor der WM nochmals bei Ihrer Stammfriseuse in Bad Mergentheim (An.d.Red.: Jutta Gsell, Kopfkunst) gewesen?
    Nein. Ich hatte einfach keine Zeit. Aber wegen der Mützen sieht man ja nur einen kleinen Teil der Haare.

    Nove Mesto ist erstmals WM-Gastgeber. Sind Sie von der Begeisterung der tschechischen Fans überrascht?
    Nein, denn ich kenne die Tschechen als fanatisches Sportpublikum. In Nove Mesto war ich schon zu meiner Zeit als Langläuferin. Ich hatte keine Zweifel, dass es eine gute WM wird. Mir gefällt das Land, die Landschaft.

    Mögen Sie auch die herzhafte tschechische Küche?
    Total. Ich mag viel Soße, Suppen, auch Knödel und Knoblauch, also alles, was es hier gibt. Wenn alle viel Knoblauch essen, ist es ja kein Problem. Okay, das tschechische Essen ist sehr fleischhaltig. Dafür gibt es eben nächste Woche zu Hause weniger Fleisch.

    Es fällt auf, dass im Biathlon und im Skilanglauf bei den Frauen die Leistungsdichte gerade im Laufen weit geringer ist als bei den Männern. Warum?
    Gute Frage.
    Bei den Männern ist es im Biathlon wirklich extrem geworden. Für die Einzel-Rennen gab es früher eine Formel, die besagte, dass eine 90-prozentige Trefferleistung und weniger als zwei Prozent Laufrückstand eine Garantie für einen Platz auf dem Podium sind. Diese Formel ist längst außer Kraft gesetzt. Die Dichte ist mittlerweile so enorm, dass man sich fragen muss, wo das enden soll. Warum allerdings viel mehr Männer als Frauen schnell laufen können, weiß ich auch nicht.

    Mit Andrea Henkel und Erik Lesser kommen nur zwei WM-Starter aus Thüringen. Bayern stellt dagegen sechs Athleten. Auch die besten Junioren wie Laura Dahlmeier sind im Süden zu Hause? Was läuft hier oder auch in Sachsen falsch in der Ausbildung? Oder anders gefragt: Was läuft in Bayern richtig?
    Ich weiß nicht, ob hier was falsch gemacht wird. Dazu stecke ich zu wenig in der Materie. Die Voraussetzungen stimmen ja in Oberhof und es gibt auch viele gute Nachwuchsvereine mit Tradition wie in Frankenhain, in Scheibe-Alsbach, in Großbreitenbach oder in Trusetal. Vielleicht haben die Bayern nach der Wende, als die Konstellation völlig umgekehrt war, viel gelernt von uns. Vielleicht liegt es auch an materiellen Dingen, denn in Bayern verdienen die Eltern junger Sportler nun einmal mehr als in Thüringen oder Sachsen. Schon im Nachwuchsbereich tobt eine Materialschlacht.

    Interview: Thomas Sprafke
    Quelle: www.insüdthüringen.de