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    25.03.2018

    RÜCKBLICK: "Ein Dahlmeier-Rücktritt käme zu früh"

    n-TV.de, 25. März 2018: Die Biathlon-Saison geht zu Ende. Bei den Olympischen Spielen gab es mehr Medaillen als erhofft - und zwei große Enttäuschungen, die für Wirbel sorgten. Was bleibt also nach dieser Saison? Was wird aus Laura Dahlmeier? Kati Wilhelm blickt im Interview mit ntv.de zurück und voraus.

    n-tv.de: Frau Wilhelm, eine bewegende Biathlon-Saison geht zu Ende. Wie fällt Ihr sportliches Fazit dazu aus?
    Kati Wilhelm: Positiv! Ich denke, dass es im Großen und Ganzen eine durchaus erfolgreiche Saison war für die deutschen Biathleten. Vor allem bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang konnten sie überzeugen, in der Breite dort vor allem die Männer, angefangen mit Sprint-Olympiasieger Arnd Peiffer. Bei den Damen hat Laura Dahlmeier in erster Linie die Kohlen aus dem Feuer geholt, aber auch die anderen Athletinnen haben mit positiven Resultaten aufgewartet. Alles in allem eine mannschaftlich starke Vorstellung!

    Im Weltcup-Geschehen sieht es magerer aus: Laura Dahlmeier kann sich noch den Disziplin-Weltcup im Massenstart sichern, Arnd Peiffer Dritter im Gesamtweltcup werden. Wiegen olympische Medaillen schwerer?

    Ja, in einer olympischen Saison haben die Spiele klar Vorrang. Weltcup gibt es jedes Jahr, Olympische Spiele nur alle vier Jahre, vielleicht sogar nur ein Mal in der Karriere. So gesehen lag das Augenmerk der Vorbereitung klar auf Pyeongchang. Wenn es daneben noch für gute Platzierungen im Gesamtweltcup reicht wie bei Arnd Peiffer oder wenn Laura Dahlmeier sogar die Chance auf eine kleine Kristallkugel am Ende der Saison noch hat, ist das umso besser.

    Aus Ihrer Sicht: Was waren die Highlights in dieser Saison? Der Olympiasieg im Sprint von Arnd Peiffer vielleicht?
    Ja, der Olympiasieg von Arnd Peiffer, aber auch der Triumph von Laura Dahlmeier in Pyeongchang. Das waren für mich die Highlights dieser Saison. Arnd hat gezeigt, dass er auf den Punkt genau fit und da war, als die beiden herausragenden Athleten dieses Winters, Martin Fourcade und Johannes Thingnes Boe, Fehler gemacht haben. Das ist eine Stärke, die schon besonders ist.

    Und bei Laura Dahlmeier?
    Der Sprint-Olympiasieg war deshalb beeindruckend, weil es jeder von ihr erwartet hat. Der Druck war also ganz enorm - und sie hat ihm bravourös standgehalten. Das nötigt ebenfalls Respekt ab.

    Peiffer sorgte allerdings mit seiner Leistung in der Mixed-Staffel von Pyeongchang auch für ein negatives "Highlight".
    Ja, das kann man so sagen. Allerdings sollte man bedenken, dass schlechte Leistungen oder eben Fehler am Schießstand bei einem Staffel-Schlussläufer härter ins Kontor schlagen als beispielsweise beim Startläufer. Haut der daneben, können die nachfolgenden drei vielleicht wieder Boden gutmachen. Wenn der Schlussläufer patzt, schlägt sich das direkt im Ergebnis nieder. Zudem: Er ging mit großem Vorsprung an den Start. Das klingt nach: einfach nur das Rennen nach Hause laufen. Aber genau diese Situation ist die ungünstigste Variante für einen Schlussläufer, denn er muss die Spannung hochhalten - ohne unmittelbare Konkurrenz. Diese Staffel hat wieder einmal die Faszination Biathlon gezeigt: Es ist alles möglich, es kann sehr schnell gehen.

    Schnell ging es dann auch bei der Damen-Staffel, am Ende stand ein enttäuschender achter Rang.

    Ja, damit hatte keiner im Vorfeld gerechnet. Die deutschen Damen waren einer der absoluten Topfavoriten dieses Rennens. Am Ende kann es anders. So ist Biathlon nun halt (lacht).

    Nach Pyeongchang äußerte die dienstälteste deutsche Biathletin, Franziska Hildebrand, Kritik an der Aufstellung. Sie geriet mit Franziska Preuß und Bundestrainer Gerald Hönig aneinander. Letzterer dachte sogar über seinen Abschied nach. Dann eine Aussprache und Hildebrand fuhr wie befreit ihre besten Saisonplatzierungen ein. Viel Lärm um nichts also?
    Ich würde eher sagen: Da brach sich die Enttäuschung Bahn. Wenn man vorher als einer Topfavoriten ins Staffelrennen geht und vielleicht sogar mit Gold liebäugelt, am Ende aber mit leeren Händen dasteht, muss man das irgendwie verarbeiten. Franziska Hildebrand hat die Aufstellung kritisiert - ob es eine andere Zusammenstellung besser gemacht hätte, lässt sich im Nachhinein nicht mehr sagen. Von daher: Dass Kritik geäußert wird, ist gut - am Ende wurde auch viel hineininterpretiert. Da wurde von den Journalisten auch manches zugespitzt. Ich denke, nach der gemeinsamen Aussprache sind alle Querelen vom Tisch.

    Und Hönig bleibt, Stand jetzt. Dagegen scheiden Tobias Reiter und Andreas Stitzl aus dem Trainerteam aus. Wer wird ihnen folgen, kennen Sie schon Namen?

    (lacht) Ja, ich habe schon ein paar Namen gehört. Aber es ist noch nicht spruchreif. Das wird auch von einigen Athleten kritisiert: Die Saison ist vorbei und man weiß im Endeffekt noch nicht hundertprozentig, mit wem man in die neue Saison startet.

    Haben Sie einmal über eine Trainerkarriere nachgedacht? Vielleicht im Nachwuchsbereich? Sie veranstalten ja bereits seit einigen Jahren ein alljährliches Nachwuchscamp für die besten Biathlontalente Deutschlands

    Ich habe über einer Trainerlaufbahn nachgedacht. Aber entschieden, dass das kein Job für mich ist. Trainer sein bedeutet eine sehr große Verantwortung. Ich versuche mich dennoch zum Beispiel mit meinem Camp für den Nachwuchs stark zu machen, mich einzubringen und ihnen etwas mitzugeben. Aber für alles andere fehlt mir momentan auch einfach die Zeit.

    Also gibt es die TV-Expertin Kati Wilhelm auch in der nächsten Saison?
    Ja, ich glaube schon (lacht). Es fanden schon Gespräche statt, die Sportchefs müssen das Ganze noch absegnen.

    Im kommenden Jahr steht ein Wechsel an der Spitze des Biathlonverbandes IBU an. Es wird ein Nachfolger für den Norweger Anders Besseberg gesucht. Wer ist in Ihren Augen am qualifiziertesten dafür? Sollte vielleicht mal ein Deutscher an die IBU-Spitze?

    Nein, das denke ich nicht. Besseberg hat mehr als zwei Jahrzehnte lang erfolgreiche Arbeit geleistet. Der Biathlon ist unter seiner Führung zur erfolgreichsten Wintersportart im TV geworden. Ein Deutscher an der Spitze könnte für Verstimmung sorgen, da wir schon als sehr machtvoll angesehen werden. Wir sind auch das einzige Land, das zwei Weltcup-Standorte hat. So gesehen denke ich, dass wer es am Ende macht, es weiterhin gut machen wird.

    Besseberg stand jüngst aber in der Kritik wegen der Vergabe des Saisonabschlusses nach Tjumen in Russland. Mehrere Sportler hatten wegen des russischen Staatsdoping-Themas ein Zeichen des Verbandes erwartet. Das blieb aus. Nun boykottieren einige Sportler den letzten Weltcup. Kommt dieses Ausrufezeichen zu spät?
    Die Sportler haben auf den Verband gehofft, dass der ein Zeichen setzt, was er allerdings nicht getan hat. Die Empfehlung vom IOC, in Russland keine sportlichen Großveranstaltungen mehr zu machen, galt diese Saison nicht mehr, daher hat die IBU gesagt: Warum sollen wir dann nicht nach Russland fahren? Die Entscheidung des Verbandes fiel übrigens in einer demokratischen Abstimmung. Das Ergebnis hat dennoch manchen Sportler überrascht und in der Konsequenz fehlt nun der eine oder andere beim Saisonabschluss.

    Ein Blick voraus in die kommende Saison: Alle bekannten deutschen Biathleten machen weiter, Stand jetzt. Bis zu den nächsten olympischen Spielen wird sich das Gesicht des Teams bei Männern und Frauen aber grundlegend ändern: Laura Dahlmeier wird nicht so lange weitermachen, Arnd Peiffer und Erik Lesser wollen von Saison zu Saison entscheiden. Und auch Franziska Hildebrand wäre dann schon 34. Müssen die Trainer in der kommenden Saison einen Umbruch einleiten?

    Ein Umbruch ist nicht in erster Linie eine Aufgabe der Trainer. Zunächst einmal müssen sich neue, jüngere Athleten anbieten. Solange das nicht passiert und die Älteren nicht von allein aufhören, fehlt der Druck für einen Umbruch. In dieser Saison haben bei den Männern ein Roman Rees und ein Johannes Kühn gezeigt, dass sie oben anklopfen und heiß auf Weltcup-Einsätze sind. Bei den Damen gibt es ein gefestigtes Aufgebot, das auch mehrere Altersstufen umfasst. Dennoch wäre da von unten ein bisschen mehr Druck nach oben wünschenswert.

    Bei Laura Dahlmeier, die in jungen Jahren sportlich schon alles erreicht hat, wird immer wieder über einen Rücktritt spekuliert. Gibt es den perfekten Abschiedszeitpunkt? Was raten Sie Laura Dahlmeier?
    Den perfekten Abschiedszeitpunkt muss jeder für sich selbst finden. Klar ist es ein Traum, auf dem Höhepunkt der Karriere zurückzutreten, wenn man noch erfolgreich ist. Man kann den Zeitpunkt dann selbst bestimmen. Dass Laura Dahlmeier ihre Skier jetzt schon an den Nagel hängt, glaube ich nicht. Das wäre für mich, trotz ihrer bisherigen großen Erfolge, einfach noch viel zu früh. Diese Saison lief für sie nicht alles ganz rund. Aber genau das ist für einen Leistungssportler wichtig, daraus kann er lernen, sich noch einmal verbessern. An solchen Erfahrungen wächst man und kann dann neu angreifen.

    Mit Kati Wilhelm sprach Thomas Badtke