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    28.07.2011

    Kati Wilhelm weint Biathlon-Karriere nicht hinterher

    TLZ: Im März 2010 haben Sie Ihre Karriere beendet. Bereuen Sie dies oder schauen Sie heute auch stolz auf Ihre Nachfolger?
    Kati Wilhelm: Ich habe das erreicht, was ich erreichen wollte und es war eine sehr schöne Zeit. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem man einen Schlussstrich ziehen muss. Manche Sportler haben ihren Zenit überschritten und falschen Ehrgeiz - oder ihnen fehlt die Courage aufzuhören. Natürlich beobachte ich das Biathlon noch und bin durch meinen Job als TV-Expertin auch nah dran.

    Wie sieht Ihr heutiger Trainingsplan eigentlich aus?
    Ich hatte erstmal etwas Abstand gebraucht, als ich aufgehört habe. Mehrmals die Woche trainiere ich jetzt noch, weil es sehr wichtig für den Körper und die Gesundheit ist abzutrainieren. Im Frühjahr war ich auf Mallorca und bin dort Rad gefahren.

    Auch dank Ihrer Erfolge ist das Interesse am Biathlon stark gestiegen. Welche Rolle hat der Sport heute in Ihrem Leben?
    Der Sport war ein großer Bestandteil meines bisherigen Lebens und hat mich stark geprägt. Jetzt ist Sport ein Hobby, damit ich weiterhin fit bleibe und die Form, die ich habe, halten kann.

    Gibt es Kinder, die sportlich in Ihre Fußstapfen treten können?
    Ich denke, es ist sicherlich nicht mehr so wie früher. Mittlerweile gibt es einfach ein großes Angebot an sportlichen und medialen Möglichkeiten wie Computer und Fernsehen. Aber viele Kinder sehen uns als Vorbilder. Allerdings darf man nicht vergessen, dieser Sport ist sehr teuer. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob man sich das leisten kann. Denn es dauert Jahre, bis sich das für den einen oder anderen wirklich lohnt.

    Würden Sie heute alles genauso wieder machen?
    Den Weg über Skilanglauf zum Biathlon zu gehen, finde ich definitiv nicht verkehrt. Weil ich im Langlauf viel gelernt habe, von dem ich dann beim Biathlon profitieren konnte. Ich glaube, es gehört ein gewisses Maß an Talent dazu - gerade beim Schießen. Um richtig erfolgreich sein zu können, genügt hartes Training allein nicht. Viele Kinder finden Biathlon total aufregend und denen zu sagen Mach erst einmal Langlauf, bis du 14 bist ist natürlich schwierig.

    Wie sieht die Zukunft des SC Motor Zella-Mehlis aus? Stehen Sie Ihrem Verein zur Seite?
    Wir haben relativ wenig mit dem Verein selbst zu tun, wir haben keine Verträge oder sind angestellt, wie das bei Fußballern der Fall ist. Biathleten haben ihren Heimatverein und, wenn es zeitlich passt, hat man Termine, wie das "traditionelle Abwintern". Ich bin Ehrenmitglied in Zella-Mehlis und versuche, den Club auch zu unterstützen. Ab und an stelle ich meine Kleidung der letzten Saison zur Verfügung.

    Wie weit ist Ihr Internationales Management-Studium?
    Was die Kurse angeht, bin ich quasi in den letzten Zügen. Allerdings habe ich noch nicht alle Prüfungen bestanden.

    In welchem Bereich wollen Sie danach arbeiten? Streben Sie nach Ihrem Praktikum beim RBB eine Medienkarriere an?
    Im Winter möchte ich beim Biathlon wieder als ARD-Expertin tätig sein - trotz Baby.  Aber das wird sich vielleicht erst nach der Geburt des Babys wirklich rausstellen, je nachdem wie pflegeleicht das Kind ist. Aber ich persönlich möchte ungern so lange aus meinen Job raus sein, weil mir die Arbeit viel Spaß macht. Mit Hilfe meiner Familie werde ich das sicher hinbekommen.

    Wie war es für Sie, nun auf der anderen Seite zu stehen?
    Ich habe es teilweise als Nachteil empfunden, wenn ich ein Interview mit einem Sportler führen sollte, den ich kannte. Weil diejenigen dann mehr von mir erwarteten, als ich ihnen vielleicht bieten kann; also höhere Erwartungen an mich hatten.

    Sie haben einmal gesagt: 'Ich bin überzeugt, dass der Sport dazu beiträgt, Werte wie Ehrgeiz, Disziplin und Siegeswille zu fördern, ohne die Gemeinschaft aus den Augen zu verlieren.' Welche Werte sind Ihnen als angehende Mutter wichtig?
    Ich hoffe, dass ich zunächst einmal ein Vorbild für mein Kind sein werde. Ich möchte das natürlich auch meinem Kind vermitteln, dass es wohlbehütet aufwachsen und Vertrauen zu uns Eltern haben kann. Es sollte die Freiheit haben, selbst entscheiden zu können, was es machen will. Ich denke, es ist schwierig genug, an den Erfolgen der Mutter gemessen zu werden.

    Wie wichtig ist Ihnen selbst Ihre Heimat? Könnten Sie sich vorstellen, wieder im schönen Thüringer Wald zu leben?
    Ich habe in Ruhpolding noch meine Wohnung, aber wohne dort nicht mehr - außer, wenn ich Termine in der Gegend habe. Jetzt bin ich mehr in meiner Heimat. Gerade jetzt, in Vorbereitung auf die Geburt meines Kindes, ist es natürlich schön, seine Familie um sich zu haben. Zudem liegt Steinbach-Hallenberg zentraler. Wenn ich Termine in Frankfurt, München oder Berlin habe, sind diese von hier aus einfacher zu erreichen.

    Thüringen ist nach wie vor ein Abwanderungsland. In den vergangenen Jahren sind viele junge Menschen gen Westen gezogen. Ist das in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis auch so?
    Ja, ich kenne es von einigen früheren Schulkameraden, die inzwischen auch in allen Ecken Deutschlands wohnen. Es ist nachvollziehbar, wenn Jobsuchende in andere Bundesländer ziehen, weil dort ihre Chancen besser sind und die Bezahlung höher ist. In Südthüringen geht es zum Glück mit der Arbeitslosigkeit noch. Hier gibt es viele mittelständische Unternehmen und auch Handwerksbetriebe.

    Was könnte man Ihrer Meinung nach tun, um die Abwanderung zu verhindern?
    Das ist schwierig, weil es kein Patentrezept dafür gibt. Da ist auf jeden Fall die Politik gefragt. Aber ich denke, es wäre schon hilfreich, wenn die Bezahlung von Ost und West angeglichen würde. Es gibt meines Erachtens nach auch keinen Grund dafür, warum Arbeitnehmer hier für die gleiche Arbeit weniger verdienen. Die Lebenshaltungskosten sind in Thüringen mit am höchsten. Aber man sollte auch noch mehr in Sachen Tourismus machen. Die Region Schmalkalden-Meiningen hat mehr zu bieten als nur den Rennsteig. Dann sollte man sich neue Ideen einfallen lassen - wie exklusive Hotels für anspruchsvollere Gäste.

    Sie sind seit sechs Jahren mit Ihrem Lebensgefährten Andreas Emslander zusammen. Läuten bald die Hochzeitsglocken?
    Nicht, dass ich wüsste. Geplant ist nichts. Meine Schwester Melanie ist schon immer mein Vorbild gewesen. Sie hat zwei Kinder und lebt mit ihrem Freund zusammen. Auch ich kann ohne Trauschein sehr glücklich sein.

    Quelle: Frances Teuchert / 28.07.11 / TA