08.10.2016

INTERVIEW: Was Kati Wilhelm Oberhof rät

MAINPOST (Oliver Schikora) – Drei Olympiasiege, fünf Weltmeistertitel und 20 Medaillen insgesamt – Kati Wilhelm war eine der bekanntesten deutschen Biathletinnen – und auch eine der erfolgreichsten. Die 40-Jährige hat als TV-Expertin, mit eigenem Restaurant in Steinbach-Hallenberg, Vorträgen, Sponsoren-Verpflichtungen und der Familie mit zwei Kindern den Übergang ins Leben nach dem Leistungssport gemeistert.

In Würzburg, wo sie als Markenbotschafterin der BVUK.-Gruppe, einem Unternehmen, das sich um die betriebliche Altersvorsorge kümmert, zu Gast war, sprach sie über die gescheiterte Oberhofer WM-Bewerbung und gibt ihre Einschätzung über die Aussichten der deutschen Biathlon-Mannschaft in der neuen Saison, die am ersten Dezember-Wochenende traditionell mit dem Weltcup im schwedischen Östersund beginnt.

FRAGE: Oberhof ist zuletzt krachend mit seiner Bewerbung für die Biathlon-WM 2020 gescheitert. Wie sehen Sie das?
KATI WILHELM: Was heißt krachend gescheitert? In Anbetracht dessen, dass die Zeit schon fortgeschritten war, als man mit der Bewerbung angefangen hatte, da es durch den Ausfall des Weltcups und der internen Umstrukturierungen zu Verzögerungen kam, ging es einfach darum, das Gesicht zu wahren und sich zu präsentieren. Schon im Winter wurde versäumt, das besser zu bewerben, aber das wussten auch alle, die involviert waren. Insofern war die Entscheidung jetzt nicht so überraschend. Es ging darum, da zu sein und auch sich als Weltcup-Standort zu präsentieren.

Was muss sich in Oberhof ändern? Hat der wetterbedingte Ausfall 2016 einen nachhaltigen Imageschaden bewirkt?
WILHELM: Klar ist es nicht schön für die Zuschauer, die schon ewig nach Oberhof kommen, Karten hatten, dass der Weltcup nicht stattfand. Sicher sind auch einige nach Ruhpolding gegangen und fanden es dort vielleicht auch schön. Fürs Wetter kann niemand etwas. Aber sicher ist die Auflage des Biathlon- Verbandes für Oberhof, ein Schneedepot einzurichten, richtig. Andere Weltcupstandorte hatten das schon viel früher, und Oberhof hat sich vielleicht auch ein bisschen auf das Wasserreservoir verlassen, weil man es immer hinbekommen hatte. Einen nachhaltigen Schaden hat es, glaube ich, nicht gegeben.

Ein bisschen hat man den Eindruck, dass Fun-Veranstaltungen ohne sportlichen Wert wie der Biathlon Auf Schalke Oberhof den Rang ablaufen. In Gelsenkirchen ist es seit Jahren ausverkauft, am Rennsteig gibt es stark rückläufige Kartenverkäufe.
WILHELM: Es liegt sicher auch daran, dass in den letzten Jahren als Athleten weniger Oberhofer Gesichter da waren. Oberhof lebt sehr stark von den Zuschauern aus dem Osten und Norden, und da braucht man auch bekannte Namen, die ziehen. Die hatte Oberhof und vielleicht auch Deutschland in den vergangenen Jahren weniger. Das Publikum in Ruhpolding und Oberhof ist sehr unterschiedlich, was man als Athlet durchaus merkt. In Oberhof sind die wirklichen, fachkundigen Fans, die sich in den Bus setzen, an der Strecke Party machen, aber vor allem Biathlon gucken. In Ruhpolding sind ganz viele Urlauber, die dort sind und den Weltcup mitnehmen. Es hat sich angenähert, aber Oberhof hatte ein größeres Problem, als die großen Namen, gerade aus der Region, weg waren. Natürlich kamen mit Laura Dahlmeier oder Franziska Preuß neue Gesichter, die durchgestartet sind, die müssen sich aber das Ansehen bei den Fans – wie wir es hatten – erst erarbeiten. Wenn der Fan nicht mehr der Hardcore-Fan ist, der sich ins schlechte Wetter stellt, um seine Idole zu sehen, dann kommt er vielleicht nicht mehr und schaut es lieber im Fernsehen. Es gibt in Oberhof ja tatsächlich viel mehr schönes Wetter als schlechtes, aber beim Weltcup ist es immer anders. Das hat Oberhof auch nicht verdient.

Wie ist denn das deutsche Biathlon-Team aufgestellt für die neue Saison?
WILHELM: Sehr gut. Bei den Männern kommen viele Junge von unten, die den Arrivierten zeigen, dass sie in die Weltcup-Mannschaft wollen. Bei den Frauen ist die Mannschaft fix, aber auch da kommen andere nach, Denise Herrmann macht als Umsteigerin vom Langlauf bisher einen sehr guten Eindruck.
Die Frauen haben mit Franziska Preuß, Franziska Hildebrandt, Laura Dahlmeier, Vanessa Hinz eine sehr starke Mannschaft, dazu Maren Hammerschmidt. Bei den Männern ist für mich Simon Schempp die Nummer eins, und wir haben noch Erik Lesser und Arnd Peiffer.

Magdalena Neuner war der letzte große Überflieger. Konnten Sie nachvollziehen, warum sie so früh aufgehört hat?
WILHELM: Ja, natürlich. Sie war sehr früh schon sehr gut. Es ist schwer, das zu toppen. Es ist ja ein Ziel eines Leistungssportlers, immer noch einen drauf zu setzen. Aber wenn man immer schon ganz oben steht, ist das schwierig. Biathlon ist ein Sport, wo man manchmal auch Vierter ist und trotzdem für sich eine gute Leistung gebracht hat. Wenn man sich dafür dann rechtfertigen muss, oder–wie bei ihr –, dafür, dass man vielleicht „nur“ Zweite wurde, verstehe ich, dass sie das nicht mehr gewollt hat. Sie hat immer gesagt, dass sie es nicht so lange machen wollte wie ich zum Beispiel, aber das lag ja auch daran, dass ich erst mit 24 mit Biathlon angefangen habe und es immer etwas gab, woran man arbeiten konnte.

Was kann man von Miriam Gössner erwarten? Schafft sie den Durchbruch?
WILHELM: Bei ihr hängt es einfach am Schießen. So wie die deutsche Meisterschaft aussah, hat sich das aber noch nicht wirklich gebessert.

Thema Schießen: Bundestrainer Gerald Hönig spricht immer von der „Komplexleistung“ Biathlon, also gutes Schießen und gutes Skaten. Was zeichnet einen guten Biathleten aus?
WILHELM: Dass er genau diese Komplexleistung bringt (lacht). Warum ist es so schwer? Wenn man wirklich gut ist, bringt man auch die Komplexleistung, die man heutzutage braucht, um wirklich gut zu sein. Bei mir war es damals so, dass ich wusste, dass ich auf der Strecke gut bin, und dann hatte ich die nötige Lockerheit, um mich am Schießstand etwas zu trauen und nicht unter Druck zu kommen. Wenn man aber weiß, dass man auf der Strecke nicht ganz so gut drauf ist, setzt einen das am Schießstand unter Druck. Wenn man das gewöhnt ist, kann man damit umgehen. Am Ende meiner Karriere musste ich umdenken. Ich war nicht mehr die Schnellste, konnte es aber am Schießstand. Wenn man das akzeptiert und es kompensieren kann, funktioniert es wieder. Im Biathlon ist es manchmal verrückt, wenn man einen Lauf hat, dann fallen die Scheiben vorne wie von alleine um.

Worauf freuen Sie sich in dieser Saison?
WILHELM: Auf einen tollen Weltcup in Oberhof! Und ich bin auf die Weltmeisterschaft in Hochfilzen gespannt, denn das wird von der Atmosphäre ähnlich wie ein Weltcup oder eine WM in Deutschland, da kommen auch viele deutsche Fans, und in Österreich ist Biathlon auch sehr populär.

Wie haben Sie den Skandal um das russische Olympia-Team wahrgenommen. Wird einem Angst und Bange um den Leistungssport?
WILHELM: Jein. Der Leistungssport ist immer anfällig für Doping, das eine oder andere Land ist natürlich mehr betroffen, auch in Russland gab es immer wieder Dopingfälle im Biathlon in den vergangenen Jahren. Das Anti-Doping-System ist gefragt und natürlich die nationalen und internationalen Verbände, dass die Strafen und die Kontrollen entsprechend sind, um es Dopingsündern so schwer wie möglich zu machen, ein Schlupfloch zu finden. Es ist wichtig, dass man weiterforscht und Mittel und Wege findet, die zu überführen, die betrügen.

Sie haben 2010 aufgehört, Ole Einar Björndalen ist 44 und läuft immer noch. Juckt es nicht, doch noch mal einzusteigen?
WILHELM: Nein, aber ich muss natürlich den Hut vor ihm ziehen, dass er es so durchzieht und so motiviert ist. Aber er muss sich auch seine Kraft einteilen, er kann nicht mehr jeden Weltcup machen.

Wie bringen Sie Ihren Job als TV-Expertin und die Familie in Einklang? Hilft es, dass Papa Andreas Emslander im deutschen Service-Team ist?
WILHELM: Eigentlich ist das gerade ein Problem. Wenn ich die Kinder dabei habe, sehen sie den Papa auch nicht mehr, als wenn sie zu Hause bleiben. Ich lasse die Saison auf mich zukommen, ohne die Hilfe meiner Eltern würde es sicher nicht funktionieren. Dazu kommen noch die anderen Termine für Partner, Sponsoren, Vorträge. Ich habe gut zu tun.

War es schwer für Sie, sich in das Leben nach dem Leistungssport einzufinden?
WILHELM: Nein. Ich habe nach der Saison aufgehört, dann war Pause. Als die anderen wieder anfingen, habe ich mittrainiert, mir aber ausgesucht, was ich mache. Außerdem habe ich mein Studium beendet und hatte mehr Zeit für Sponsoren. Es ging recht schnell, dass ich es nicht vermisst habe, weil ich im Fernsehen etwas machen wollte, wir auch eine Familie gründen wollten. Vor zwei Wochen war ich beim Rennen der Legenden in Minsk, da hat man sich im „alten Leben“ schon auch wohlgefühlt mit Liv Grete Poirree, Sandrine Bailly, das war schön. Aber ich brauche das nicht mehr.

Quelle: MAINPOST, Autor: Oliver Schikora

 

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