21.02.2014

Interview sportschau.de: "Die Enttäuschung bleibt"

Erst die positive Dopingprobe, dann das Debakel in der Staffel. Es war aus deutscher Sicht ein Tag zum Vergessen. Wie schätzt Kati Wilhelm die Situation ein? Sportschau.de sprach mit der früheren Olympiasiegerin.

sportschau.de: Frau Wilhelm, heute Abend hat Evi Sachenbacher-Stehle einen positiven Dopingtest bestätigt. Bei der Substanz, die bei ihr gefunden wurde, handelt es sich demnach um ein Stimulanzmittel, die häufig in Nahrungsergänzungsmitteln gefunden wird. Wie ist dieser Fall aus Ihrer Sicht einzuordnen?

Kati Wilhelm: Wahrscheinlich ist es die blödeste Form, eine positive Dopingprobe zu bekommen. Man sollte jetzt schauen, wo sie das Zeug her hat und wer es ihr empfohlen hat.

sportschau.de: Glaubt man Sachenbacher-Stehle, dass es ein Versehen war, bleibt trotzdem die Frage: Wie konnte es dazu kommen?

Wilhelm: Als Sportler hat man halt immer viele Menschen um sich herum, die einen unterstützen wollen. Außerdem versucht man immer, sich auf legalem Weg einen kleinen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Dann sucht man sich vielleicht außerhalb der Mannschaft einen zusätzlichen Trainer, einen zusätzlichen Physiotherapeuten. Vermutlich hatte Evi hier einen Berater, der ihr etwas genau zu diesem Zweck gegeben hat. Das ist aber nicht zu vergleichen mit der bewussten Einnahme von verbotenen Mitteln, wie Anabolika oder Steroiden. Vermutlich wird die jetzt gefundene Substanz nicht mal Leistungssteigerung nach sich ziehen.

sportschau.de: Sachenbacher-Stehles Ex-Trainer Wolfgang Pichler hat den Verband in die Pflicht genommen. Man dürfe seine Athleten nicht so unvorbereitet zu Olympia schicken. Ist da etwas dran?

Wilhelm: Ich kenne die Situation noch aus meiner aktiven Zeit. Wir sind vom Verband darauf hingewiesen worden, dass es Mittel gibt, die zertifiziert sind. Diese sollen wir nehmen. Für alle anderen würde dagegen keine Garantie übernommen. Das ist aus meiner Sicht etwas wenig. Stattdessen müsste klar gesagt werden, was man nehmen darf und was nicht. Nicht alle zertifizierten Mittel werden von allen gleich gut vertragen. Der Verband steht da schon in der Verantwortung.

sportschau.de: Gibt es die Möglichkeit für Athleten, den Verband zum Test eines bestimmten Lebensmittels zu bitten?

Wilhelm: Ich glaube nicht, das wäre auch zu teuer. Man muss auch einschränken, dass es schwer ist, als Verband die komplette Kontrolle zu bekommen. Die Norweger gehen aus meiner Sicht einen guten Weg. Die Sportler werden komplett verpflegt und die Verpflegung wird in Abstimmung mit Forschern zusammengestellt. Da wird zum Beispiel in der Rennvorbereitung gezielt auf Aminosäuren geachtet, weil die Forschung festgestellt hat, dass diese unter Belastung sehr gut wirken.

sportschau.de: Wie haben Sie in Ihrer aktiven Zeit sichergestellt, dass sie nicht versehentlich verbotene Dinge zu sich nehmen?

Wilhelm: Man bekommt als Sportler oft E-Mails oder andere Angebote von Nahrungsmitteln, die angeblich super wirken, super untersucht und ohne verbotene Substanzen sind. Ich war da immer vorsichtig. Zum einen habe ich auf die Vorgaben des Verbandes geachtet. Zum anderen habe ich ein Mittel genommen, das zertifiziert war. Ich habe auch die Beipackzettel immer sehr aufmerksam gelesen. Wenn nur Aminosäuren drin waren, gut. Wenn Dinge drin waren, die nach Chemielabor klingen, Finger weg.

sportschau.de: Noch zwei sportliche Fragen: Das Staffel-Rennen der deutschen Damen heute war ja so etwas wie die Fortsetzung des zuvor schon schwarzen Freitags. Wie fällt Ihre Olympia-Bilanz bei den Damen aus? Da sind ja einige Medaillenhoffnungen liegen geblieben ...

Wilhelm: Sie sind nicht als Favoriten angereist, dafür haben sie in dieser Saison nicht die nötigen Leistungen gebracht. Ärgerlich war, dass Andrea Henkel, die als Stärkste den Druck von den Jüngeren nehmen sollte, dann auch noch erkrankt ist. Das hat es für die jungen Athletinnen erschwert. Aber auch sie waren nicht in der Form, die sie in der Saison schon mal hatten. Dann unter Wert geschlagen zu werden, war mental schlimm. Insgeheim haben sicher alle mit Plätzen in Medaillennähe geliebäugelt. Ich denke, es war ein Fehler, Franziska Preuß im Einzel laufen zu lassen. Es ist immer schlimm, ein Rennen nicht zu beenden. Franzi Hildebrand war läuferisch nicht in der Form, in der sie schon mal war. Vielleicht hätte Andrea Henkel den Sprint und die Verfolgung auslassen müssen. An eine Einzel- und eine Staffel-Medaille habe ich geglaubt. Letztlich bleibt die Enttäuschung.

sportschau.de: Die Herren haben morgen noch ein Rennen vor sich. Wie fällt da die Bilanz vor der abschließenden Staffel aus?

Wilhelm: Sie haben schon eine Einzelmedaille. Ich rechne mit einer weiteren Medaille morgen in der Staffel. Hier ist schade, dass manchmal Schießen und Laufen nicht zusammengepasst hat. Wenn einer gut gelaufen ist, hat er nicht gut genug getroffen und andersrum. Es hat nur bei einem Rennen mal bei Erik mal geklappt. Auch der vierter Platz Simon und der Zehnte für Daniel sind Top-Ergebnisse. Bei den Herren ist Potenzial, auch wenn das nicht immer ganz ausgeschöpft wurde.

Quelle: ARD/BR von Dirk Hofmeister, Laura Biathlon Center Krasnaja Poljana

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