17.03.2018

INTERVIEW: „Spitzenleistungen sind ohne Doping möglich“

Am Wochenende ist sie noch beim Weltcup am Holmenkollen in Oslo als ARD-Expertin im Einsatz, am Dienstag wird Kati Wilhelm (41) im Dienste der Fairness nach Würzburg kommen. Bei der Gala von „Fair ist mehr“, einer Aktion dieser Zeitung in Kooperation mit der Rechtsanwaltskanzlei Bendel & Partner, wird die frühere Weltklasse-Biathletin Ehrengast sein. Vor ihrer Abreise nach Norwegen sprach sie in einem Telefonat mit dieser Redaktion über ihr Leben früher und heute – das auch so erfolgreich verlaufen ist, weil sie oft mutige Entscheidungen getroffen hat.

FRAGE: Frau Wilhelm, Sie halten Vorträge zum Thema „Entscheidungen treffen“. Was raten Sie Menschen, die sich grundsätzlich schwer damit tun?
KATI WILHELM: Ich finde, es hilft, mehr die Chance als das Risiko darin zu sehen. Denn es ist doch toll, die Möglichkeit zu haben, etwas zu seinem Positiven zu verändern. Und es ist ein schönes Gefühl, wenn man sich überwunden hat, mutig war und aus Altem ausgebrochen ist, um etwas Neues auszuprobieren. Danach kann man stolz auf sich sein.

„Letztlich lasse ich mich vom Bauchgefühl leiten. Sonst hätte ich wahrscheinlich nie ein
Restaurant aufgemacht.“
Kati Wilhelm, Expertin im Entscheiden

Ist Fairness Ihrer Ansicht nach eine situative oder eine grundsätzliche Entscheidung, sprich eine Frage der Haltung?
WILHELM: Fairness ist für mich ein Grundsatz. Ich möchte Leistung bringen und Erfolg haben aus eigener Kraft heraus und nicht, indem ich andere betrüge. Sonst kann ich mich über den Erfolg ja auch nicht freuen.

Was kann einen Sportler motivieren, sich für faires Verhalten zu entscheiden – und damit unter Umständen auch gegen Erfolg?
WILHELM: Der Lohn für Fairness ist ein reines Gewissen. Damit kann man ein Vorbild für andere sein.

Erinnern Sie sich an Momente in Ihrer Karriere, in denen Sie mit besonders fairem oder unfairem Verhalten konfrontiert wurden?
WILHELM: Ich habe den Biathlonsport generell immer als sehr fair empfunden, obwohl er aufgrund des vergleichsweise engen Kontakts unter den Sportlern im Wettbewerb viele Möglichkeiten zu unfairem Verhalten bietet. Zum Beispiel wäre es recht einfach, einen Konkurrenten am Schießstand zu schubsen oder ihm über die Skier zu fahren beziehungsweise ihn auf der Strecke anzurempeln oder am Vorbeiziehen zu hindern. Aber mir fällt keine Situation ein, durch die ich auf eine solche Weise mal um eine gute Platzierung gebracht worden wäre.

Spitzenleistungen stehen im Biathlon oft unter Dopingverdacht. Ist es überhaupt machbar, ohne unerlaubte Hilfsmittel zur Weltspitze zu gehören? Oder anders gefragt: Ist fairer Spitzensport überhaupt möglich?
WILHELM: Ja, definitiv. Vielleicht ist es naiv, aber ich glaube, dass diejenigen, die in unserem Sport über lange Zeit vorne dabei sind, wie Martin Fourcade zum Beispiel, ehrgeizige und akribisch an sich arbeitende Athleten sind. Und dass sie sauberen Sport betreiben. Spitzenleistungen sind auch ohne Doping möglich. Ich bin der Beweis dafür.

-> YOUTUBE-Video: Rückblick "Fair ist Mehr"- Auszeichnungsveranstaltung

Welche Entscheidungen haben Ihr Leben und Ihre Karriere am prägendsten beeinflusst?
WILHELM: Als allererstes mein Entschluss, mit dem Langlauf anzufangen. Damals hab ich mir natürlich nicht gedacht: Ich mach das jetzt und werde Olympiasiegerin. Am Anfang ging es mir um den Spaß und darum, mit anderen auf Skiern um die Wette zu rennen. Die bewusste Entscheidung für den Leistungssport kam erst nach und nach.

Wodurch?
WILHELM: Durch die steigenden Ansprüche, die ich an mich selbst hatte, den wachsenden Ehrgeiz und den Wunsch nach Erfolg. Ich investierte ja viel und verzichtete auch auf einiges. Dafür wollte ich mich belohnen. Doch im Langlauf sah ich irgendwann keine Möglichkeit mehr, das zu erreichen, was ich erreichen wollte.

Also wechselten Sie 1999 zum Biathlon. Und hatten Erfolg.
WILHELM: Im Nachhinein war das mit Sicherheit eine der besten Entscheidungen meines Lebens, aber als ich das erste Mal im Schnee lag und geschossen hab, dachte ich mir schon: Oh man, das hast du dir aber einfacher vorgestellt. Manchmal ist ganz gut, vorher nicht genau zu wissen, was einen erwartet. Sonst würde man manche Entscheidung vielleicht anders treffen.

Mit der Sportart haben Sie damals auch die Haarfarbe gewechselt: von blond zu rot, längst Ihr Markenzeichen. Wie kam’s, dass Sie diesen Entschluss gefasst haben?
WILHELM: Das war sehr spontan. Zu der Zeit steckte ich noch in der Bundeswehr-Ausbildung in Sonthofen. Dort bin ich einfach in eine Drogerie und hab mir eine Farbe gekauft, die nach Rot aussah. So fing es an. Später hab ich mir dann einen gescheiten Friseur fürs Färben gesucht.

Warum ausgerechnet in Bad Mergentheim?
WILHELM: Das war Zufall. Ich hatte damals eine Agentur in Würzburg und war für ein Fotoshooting nach den Olympischen Spielen in Salt Lake City 2002 auf der Suche nach einem Friseur in der Nähe. Eine Mitarbeiterin der Agentur empfahl mir ihren. Bei „Kopfkunst“ bin ich nun seit 16 Jahren Kundin. Durch meine Zusammenarbeit mit der BVUK, Knauf und einem Autohaus in Würzburg bin ich ja oft in der Gegend. Ist ja auch nicht so weit weg von meiner Heimat in Thüringen.

Dort haben Sie 2004 eine Entscheidung, getroffen, mit der Sie sich nicht nur Freunde gemacht haben: Sie wechselten von Oberhof an den Trainingsstützpunkt nach Ruhpolding.
WILHELM: Das stimmt, aber ich war 15 Jahre in Thüringen durch den Wald gelaufen, kannte jeden Stock und Stein. Ich brauchte eine neue Herausforderung. Und um Entscheidungen zu treffen, brauche ich manchmal eher Widerstand als Zustimmung. Ich will es Zweiflern dann beweisen, das motiviert mich. In Oberhof hatte ich beste Voraussetzungen vor der Haustür. Aber die Eigeninitiative und -verantwortung, die in Ruhpolding gefragt waren, haben mir auf jeden Fall gut getan und mich weitergebracht.

2010 haben Sie Ihre aktive Karriere beendet. Haben Sie das jemals bereut?
WILHELM: Überhaupt nicht. Für mich war es der richtige Zeitpunkt. Ich hatte nichts mehr auf der Rechnung, was ich unbedingt noch erreichen wollte. Im Gegenteil: Es gab genügend neue Aufgaben, auf die ich mich freute. Mein Studium zu beenden zum Beispiel, der Fernsehjob und auch eine Familie zu gründen.

Wie treffen Sie Ihre Entscheidungen – mit dem Kopf oder Bauch?
WILHELM: Der Bauch gibt die Richtung vor, der Kopf wägt ab. Letztlich lasse ich mich vom Bauchgefühl leiten. Sonst hätte ich wahrscheinlich nie ein Restaurant aufgemacht. (lacht) Und schon gar nicht damit angefangen, während ich zum zweiten Mal schwanger war.

Eine Entscheidung, an deren Richtigkeit Sie im Nachhinein zweifeln?
WILHELM: Manchmal schon, ja. Gerade zum Beispiel.

Warum?
WILHELM: Weil ich ab 1. April ohne Köche dastehe.

Und damit auch vor der Frage: schließen oder nicht?
WILHELM: So ist es. Ohne Koch keine Gastronomie.

Sie sagten in einem Interview, Sie können auch kochen...
WILHELM: Ne! Ne, ne! Das stimmt zwar, aber das funktioniert nicht. Ich stehe wirklich gerne selber im „Heimatlon“ und helfe bei fast allem mit, aber Kochen kommt nicht infrage.
Dafür fehlen mir die Erfahrung und die Zeit. Es wäre natürlich schade, wenn wir zumachen müssten, denn der Grund, das Restaurant zu eröffnen war, einen Mehrwert für unsere Region zu schaffen. Für Touristen und Einheimische. Früher sind viele Leute abgewandert, aber inzwischen sind auch viele wieder zurückgekehrt.
Ich wollte mit dem „Heimatlon“ einen Treffpunkt schaffen, auch mit kulturellen Veranstaltungen wie Konzerten oder Weinverkostungen – übrigens mit Wein aus Franken.

Interview: PDF Download – das Gespräch führte Nathalie Gress/Mainpost

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