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    13.01.2015

    INTERVIEW: "Mache mir über Team keine Sorgen"

    Die deutschen Biathleten reisen ohne Podestplatz aus Oberhof ab, haben aber mit einigen nicht erwarteten Top-10-Platzierungen überrascht. Im Weltcuport gab es Diskussionen über die Zukunft und die Strecke. Sportschau.de hat Ex-Biathletin und ARD-Expertin Kati Wilhelm um eine Einschätzung gebeten.

    sportschau.de: Die deutschen Damen blieben ohne Platz auf dem Treppchen, Franziska Preuß mit den Rängen vier und sechs sowie Franziska Hildebrand und Vanessa Hinz mit Platzierungen in den Top 10 waren aber in Reichweite nach ganz vorn. Wie bewerten Sie das Auftreten der DSV-Damen?
    Kati Wilhelm:
    Nach dem Sieg von Hochfilzen lief die Staffel sicher nicht wie gewünscht. Aber das Team war nicht in Bestbesetzung und vor solch einer Kulisse ist jede Staffel eine Herausforderung. In den Einzelrennen haben mich die Damen dagegen weitgehend überzeugt. Überraschend fand ich, wie gut sie mit den schweren Bedingungen klargekommen sind. Läuferisch hat die Eine oder Andere noch Reserven. Aber gerade wie Franzi Preuß im abschließenden Massenstart auf der letzten Runde agiert hat, dafür hat sie meinen Respekt. Auch dafür, dass sie auf der vorletzten Runde mit Kaisa Mäkäräinen mitgelaufen ist. Da hat sie Mut gezeigt, auch wenn sie dann beim vierten Schießen dafür bezahlt hat. Sie hat sich aber gezeigt und damit deutlich gemacht, dass sie sich auch das Podest zutraut.

    Was können wir beim nächsten Weltcup in Ruhpolding und in Richtung WM Anfang März erwarten?
    Ich sehe in Franzi Preuß großes Potenzial. Sie ist gut in Form, macht einen sicheren Eindruck. Franzi Hildebrand, die ja bisher die Beste im Team war, ist leider gerade nicht so sicher am Schießstand. Ich hoffe, dass sie da beim nächsten Heim-Weltcup wieder zur alten Stärke findet. Sie hat ja schon bewiesen, dass sie besser schießen kann. Laura Dahlmeier kehrt ja jetzt in Ruhpolding in en Weltcup zurück. Da muss man aber erst einmal abwarten, wie sie wieder in den Rhythmus kommt.

    Wie fällt Ihre Einschätzung bei den deutschen Herren aus? Hier hat sich der junge Benedikt Doll etwas überraschend das WM-Ticket gesichert ...
    Das Auftreten in der Staffel und Rang vier gehen in Ordnung. Die Strafrunden passieren halt, gerade bei dem schlechten Wetter. Benedikt Doll hat eine Super-Leistung gezeigt, gerade auch mit der hohen Startnummer 88. Er hat sich nicht beeindrucken lassen von den schlechten Bedingungen, die er selbst übrigens gar nicht so schlecht fand. Bei ihm hat man gesehen, dass es gut funktionieren kann, wenn man sich nicht so einen Kopf macht. Schön, dass er es mit Rang acht im Massenstart noch mal unterstrichen hat. Seine Schwächen liegen vor allem im Stehendanschlag liegen, aber die Trainer haben ihn ja schon länger auf der Rechnung. Das hat er in Oberhof unter Beweis gestellt.

    Die etablierten Athleten Erik Lesser, Andreas Birnbacher und Simon Schempp blieben allesamt hinter Doll ...
    Die Herren war in Oberhof immer wieder auf einem guten Weg - bis zum letzten Schießen. Bei Erik Lesser ist es schade, dass Laufen und Schießen nicht immer zusammengehen. Aber das Gute ist ja, dass er bewiesen hat, dass es einzeln geht. Und er schafft auch wieder, dass beides am selben Tag läuft. Bei ihm und auch bei Simon Schempp mache ich mir keine Sorgen. Es gibt halt Tage, an denen es nicht funktioniert. Jetzt in Ruhpolding gilt: Neuer Schießstand, neues Glück. Er sollte nicht zu lange darüber nachdenken, sich kein Schießtief oder keine Schwäche einreden.

    Die Tschechin Veronika Vitkova hat im Sprint ihren ersten Weltcupsieg gefeiert und ist im Massenstart Zweite geworden. War das eine Überraschung oder war die 26-Jährige einfach mal dran?
    Bisher war sie ja vor allem eine gute Schützin, die auf der Strecke eingebüßt hat. Im Verlauf der Saison hat sie ja schon gezeigt, dass sie sich vor allem Läuferisch verbessert hat. Tschechien erlebt gerade einen Biathlonboom. Durch die Olympia-Medaille und Erfolge der vergangenen beiden Jahre wird der Sport besser unterstützt. Davon profitiert Vitkova wohl. Sie war ja schon 2009 bei der WM in Südkorea Vierte, als ich im Einzel-Weltmeisterin geworden bin. Sie hatte damals den letzten Schuss verschossen. Jetzt hat sie sich positiv weiterentwickelt.

    Am Rande der WM wurde wieder mal viel über das Oberhofer Wetter geschimpft. Prominente Sportler wie Martin Fourcade oder Daria Domratschewa plädierten für eine Verschiebung des Weltcups, vielleicht ein paar Wochen nach hinten. Was halten Sie von der Idee? Sie kennen sich hier ja bestens aus, wohnen nur ein paar Kilometer entfernt.
    Es ist schwer, genau die Woche vorauszusagen, in der in Oberhof mal schönes Wetter ist. In diesem Jahr ist der Weltcup ja schon etwas nach hinten verschoben worden. Das ging leider nach hinten los. Jetzt war gerade die Woche vor dem Weltcup gutes Wetter. Auch wenn immer niemand glaubt, dass es in Oberhof mal schönes Wetter geben kann: Manchmal scheint die Sonne scheint, es liegt Schnee und es windstill. Der Weltverband würde einen großen Fehler machen, Oberhof als Weltcuport infrage zu stellen. Für den Ort aber auch für die Sportler und den Weltcup sind die Wettkämpfe in Oberhof ein Saison-Höhepunkt. Die Oberhofer haben gezeigt, dass sie aus den schlechtesten Bedingungen das Beste rausholen können. Über eine Verschiebung könnte man nach der Saison aber sprechen.

    Denken Sie, dass der Weltverband IBU die Zukunft von Oberhof von einer WM-Bewerbung des Thüringer Ortes abhängig macht?
    Oberhof muss immer wieder viele Auflagen der IBU erfüllen. Das ist aus meiner Sicht ein Vertrauensbeweis. Durch die vielen Auflagen sieht die IBU Oberhof als festen Weltcup-Bestandteil. Aber der Verband erinnert den Ort auch immer mal, dass es noch andere Orte gibt, die sich auch auf für eine WM interessieren. Außerdem wäre Oberhof aus meiner Sicht mal wieder mit einer WM dran.

    Von einigen Sportlern wurde auch die so genannte "Henkel-Schleife" kritisiert. Wie ist Ihre Einschätzung zu dem neuen, steilen Teilstück kurz vor der Zielgeraden?
    Ich bin sie selbst noch nicht gelaufen, sie sieht aber schon sehr steil aus. Die IBU ist wohl der Meinung, dass die Strecke jetzt rhythmischer ist. Das kann ich von außen nicht ganz nachvollziehen. Der steile Anstieg und die Abfahrt bringen aus meiner Sicht nicht mehr Rhythmik, mit den steilen Wendungen hat sie sogar einen ganz anderen Rhythmus als der Rest der Strecke. Die Oberhofer Strecke gehört schließlich auch so zu den schwersten im Weltcup. Den Zuschauern bringt sie sicher mehr Attraktivität. Vor allem die Abfahrt ist aber noch ausbaufähig.

    Sollte man die Schleife im Parcours lassen oder sie streichen?
    Man sollte die Schleife verändern, die Abfahrt breiter machen. Streichen würde ich sie nicht. Für die Namensgeberin Andrea Henkel ist es sicher auch nicht schön, wenn man den Abschnitt schon nach einer Weltcup-Woche wieder rausstreicht.

    Vielen Dank für das Gespräch.
    Mit Kati Wilhelm sprach Dirk Hofmeister

    Quelle: sportschau.de