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    29.09.2014

    PRESSE: Olympiasiegerin über Mutterschaft und TV-Karriere

    Glückliche Mutter, Geschäftsfrau, TV-Expertin: Kati Wilhelm (38) hat auch mehr als vier Jahre nach dem Ende ihrer Biathlon-Karriere mit drei Olympiasiegen und fünf WM-Goldmedaillen keine Langeweile. Gerade hat sie mit einer kleinen Mannschaft im Rücken ein Lokal in ihrem Heimatort Steinbach-Hallenberg eröffnet, nachdem sie im Juli ihren Sohn Jakob auf die Welt gebracht hat. Im kommenden Winter wird sie zudem wieder die Biathlon-Wettbewerbe in der ARD begleiten. Unsere Zeitung sprach mit der Thüringerin.

    von Axel Lukacsek vom 29.09.14
    Quelle Thüringische Landeszeitung

    Privat glücklich, beruflich erfolgreich - schweben Sie gerade auf Wolke sieben? Es ist schon so etwas wie ein Glücksmoment, den ich erlebe. Aber bis ich nun mein eigenes Lokal eröffnen konnte, war unheimlich viel Arbeit notwendig.

    Ganz nebenbei sind Sie ja im Juli zum zweiten Mal Mutter geworden. Ja, das stimmt. Aber der kleine Jakob ist ein ganz Lieber, was mir die Sache viel leichter macht.

    Ihre fast drei Jahre alte Tochter Lotta ist ja auch noch da. Wie schaffen Sie das alles? Auch mit Lotta macht es riesigen Spaß. Es ist ein sehr schönes Gefühl, Mutter zu sein. Zum Glück sind meine Eltern da, die mir in vielen Situationen den Rücken freihalten.

    Seit November 2011 sind Sie Mutter. Nun kam Ihr zweites Kind auf die Welt. Wie erleben Sie Ihre neue Rolle im Leben? Es ist einfach nur wunderbar, weil es genauso ist, wie ich es mir früher vorgestellt habe. Ich genieße das. Heute sind mir andere Dinge wichtiger.

    Die Entscheidung, ein Lokal zu eröffnen, ist gleichzeitig die Entscheidung, nie als Trainerin oder Sportfunktionärin zu arbeiten? Nein, nicht unbedingt. Ich wollte diese neue Herausforderung annehmen, aber das ist keine endgültige Entscheidung für die Zukunft. Ich werde wohl nie Trainerin in der Nationalmannschaft sein. Das strebe ich gar nicht an. Aber irgendwann einmal auf Vereinsebene mit dem Nachwuchs arbeiten? Warum nicht?

    Aber Nachwuchs zu finden, fällt immer schwerer. Ist das nicht generell ein Problem der Gesellschaft? Es ist in der Tat so, dass es ziemlich schwierig geworden ist, junge Athleten zu finden, die sich für ein großes Ziel quälen wollen.

    Aber genau das fordert der Verband. Björn Weisheit als Sportlicher Leiter Biathlon beim Deutschen Ski-Verband (DSV) hat in Bezug auf die medaillenlosen Frauen bei Olympia ein härteres und intensiveres Training gefordert. Ich weiß nicht, was heute trainiert wird. Wir haben damals jedenfalls sehr hart gearbeitet. Aus meiner Sicht muss künftig noch individueller auf die Athletinnen eingegangen werden. Man kann nicht grundsätzlich das Training für alle individuell abstimmen, aber in einzelnen Phasen ist das ganz wichtig.

    Was muss noch passieren? Wir haben damals zu meiner Zeit einen engen Kontakt zu unseren Heimtrainern gehalten. Diese Kommunikation ­untereinander war sehr wichtig und muss heute verbessert werden. Sicherlich spielt dabei auch ein Stück Erfahrung eine Rolle, weil die jüngeren Athletinnen sich vielleicht nicht trauen, alles mit den Trainern offen zu besprechen.

    Sie teilen also die heftige Kritik der zurückgetretenen Olympiasiegerin Magdalena Neuner an den Strukturen des Verbandes?  Nein, ich teile nicht alles, was Magdalena gesagt hat. Vor allem die Art und Weise fand ich nicht in Ordnung. Von außen solch eine Kritik zu äußern, ist immer ziemlich einfach.

    Sind die deutschen Männer mit zwei Medaillen bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi das beste Beispiel, dass man auch mal aus einem Leistungstal wieder herauskommen kann? Ja, das kann man so sehen. Wenn eine ganze Generation wegbricht, dann ist es für den Nachwuchs natürlich ziemlich schwer. Aber es kommt immer was nach, auch wenn das nicht mehr in der Breite passiert wie vielleicht früher in der DDR.

    Der Verband will - wie Sie ja ebenso vorschlagen - die Kommunikation verbessern und das Training intensivieren. Nur Erfolge stellen sich nicht von heute auf morgen ein. Wird es - gerade nach dem Rücktritt von Andrea Henkel - im kommenden Winter eine WM in Kontiolahti ohne deutsche Medaille für die Frauen geben? Dazu müsste ich in die Glaskugel gucken. Aber in der vergangenen Saison haben die Frauen ja bewiesen, dass sie in den Weltcups auch vorn dabei sein können. Klar gibt es nicht mehr die Erfolge wie vor fünf, sechs Jahren. Aber die deutschen Frauen haben das Potenzial, eine Medaille bei der WM zu gewinnen.

    Wie groß ist der Sprung für die Thüringer Junioren-Weltmeisterin Luise Kummer vom SV Eintracht Frankenhain nun bei den Frauen? Sie hat ja schon beim Weltcup in Oslo im März gesehen, dass es trotz einer Goldmedaille bei der Junioren-Weltmeisterschaft ein gewaltiger Sprung ist. Da ist noch viel Luft nach oben. Sie wird viel lernen müssen und darf im ersten Jahr bei den Frauen nicht zu viel von sich selbst erwarten, auch wenn sie vielleicht als einzige Thüringerin auf dem Sprung in den Weltcup ganz besonders im Fokus steht. Sie braucht Geduld.

    Wie ist eigentlich die Idee entstanden, in Steinbach-Hallenberg ein Lokal zu eröffnen? Ich betrachte das vor allem als Herausforderung. Ich bin früher als Biathletin sehr viel rumgekommen. Irgendwo einen Kaffee zu trinken, das gehörte einfach immer dazu. Ich habe mir gedacht: Zu Hause ein Lokal eröffnen, das wäre doch sehr schön.

    Um auch ein weiteres Standbein im Leben nach dem Sport zu haben? Ich habe das vor allem auch deshalb gemacht, weil ich meiner Heimatstadt etwas zurückgeben möchte. Vielleicht kann ich ja einige Gäste hier her locken, die sonst gar nicht nach Steinbach-Hallenberg gekommen wären.

    Aber es ist gar nicht so leicht, den Ort zu erreichen. Die Straße von Oberhof ist mit Baustellen gepflastert. Das stimmt, das ist derzeit in der Tat etwas schwierig. Aber ich hoffe natürlich, dass das bald besser wird.

    Der Traum vom eigenen Lokal ist gut und schön. Aber mussten nicht erst die Hürden der Bürokratie gemeistert werden? Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir am 12. September eröffnen können. Viele organisatorische Dinge mussten erledigt werden, das war schon eine unheimliche Herausforderung. Dass es geklappt hat, ist jetzt umso schöner.

    Werden Sie jetzt also täglich hinter der Theke stehen oder Essen austeilen? Wie oft ich da sein werde, kann ich noch nicht sagen. Mir ist klar, dass die Leute ja auch wegen mir kommen. Deshalb will ich versuchen, so oft es geht, auch im Lokal zu sein.

    Schenken Sie lieber den Kaffee aus oder backen Sie lieber das Brot? Wir machen alles gemeinsam und müssen jetzt erst einmal schauen, dass sich alles einspielt.

    Viel ist im Lokal von Ihrer erfolgreichen Biathlon-Karriere auf den ersten Blick gar nicht zu sehen. Ich wollte keinen Schrein oder Altar errichten. Deshalb haben wir das Lokal als Wortspiel auch "Heimatlon" genannt und meinen Namen Kati einfach weggelassen. Aber wer in der Gaststube etwas aus meiner sportlichen Karriere sucht, wird auch etwas finden. Ganz weglassen wollte ich das dann auch nicht.

    Von der Decke der Gaststube hängt ein Fleischwolf, hinter dem Tresen steht ein Holzofen. Das waren Ihre Ideen? Ich habe mir professionelle Hilfe geholt beim Einrichten des Lokals. Aber es trifft ganz genau meinen Geschmack.

    Was ist Ihr Lieblingsessen auf Ihrer eigenen Speisekarte? Wir bereiten alles frisch zu. Lecker sind die knusprigen Urfladen aus Sauerteig mit verschiedenen Käsesorten oder zum Beispiel mit Blutwurst gebacken. Die Leute hier in Steinbach-Hallenberg mögen es eher deftig.

    Sie auch? Ich mag vor allem auch Suppen. Deshalb haben wir eine Linsensuppe mit Dunkelbier und Speckpflaumen im Angebot. Aber wir backen auch Kuchen und servieren selbst gemachte Limonade.

    Sie waren jahrelang sportlich aktiv. Bleibt da inzwischen überhaupt noch Zeit, sich wenigstens ein paar Mal in der Woche zu bewegen? Leider nein. Das kommt viel zu kurz. Im Winter hatte ich ja die Ausrede mit der Schwangerschaft, danach war ich mit der Eröffnung des Lokals beschäftigt. Aber ich könnte in der Tat mal wieder Sport machen.

    Auf welche Art der Betätigung hätten Sie denn Lust? Am besten wäre es, einfach eine halbe oder dreiviertel Stunde mal joggen zu gehen. Das ist effektiv und geht viel problemloser, als sich auf das Rad zu setzen.

    Bald wird allerdings die Zeit wieder knapp, wenn Sie im Winter für die ARD als TV-Expertin die Biathlon-Szene begleiten. Das stimmt. Diese Aufgabe zu bewältigen, wird immer schwerer mit zwei Kindern. Aber wir haben immer eine Lösung gefunden, zumal mir die Aufgabe unheimlich viel Spaß macht. Die Arbeit vor der Kamera ist wahnsinnig interessant.

    Wie schaffen Sie den Spagat, Ihre Arbeit interessant für den Zuschauer zu gestalten, aber gleichzeitig vielleicht nicht alle internen Dinge zu verraten? Das ist kein Problem. Ich weiß schon, was vor die Kamera gehört und was nicht. Und als ehemalige Sportlerin weiß ich zudem auch, was man so als Aktiver gerne hören will. Aber es gehört eben auch mal Kritik dazu.

    Wie sind Sie damals eigentlich selbst damit umgegangen, sich im Training endlos zu quälen? Auch bei mir gab es Tage, an denen ich gar keine Lust hatte, mal wieder im Regen zu trainieren. Aber wenn ich schon mal nass war, gab es für mich keinen Grund, nach einer halben Stunde wieder heimzugehen. Dann habe ich das eben durchgezogen. Und wenn man dann auch noch auf dem Podest steht und sich den Lohn abholt, dann tut einem nichts mehr weh. Man ist einfach nur noch unheimlich stolz.

    Ist deshalb auch der Sport generell eine ganz gute Schule fürs Leben? Das ist ganz bestimmt so. Man lernt, wie schwer es ist, sich durchzubeißen und Niederlagen einzustecken. Nirgendwo lernt man das besser als im Sport. Genau das hat mich stark gemacht.

    Sie werden Ihre Kinder also nicht davon abhalten, mal Sportler zu werden? Nein, auch wenn sie mit mir als Mama und meinen Erfolgen sicher ein schweres Los haben. Ich werde sie aber nie dazu drängen.

    Also dürfen sich Ihre Kinder auch ans Klavier setzen, wenn sie das irgendwann einmal möchten? Natürlich. Von mir aus, aber die musikalische Ader haben sie dann jedenfalls nicht von mir. Wichtig ist, dass Kinder Interessen entwickeln und denen auch nachgehen.