Sie sind hier: 
  • Besuch von der Brieffreundin
  • Archiv

    05.07.2012

    Besuch von der Brieffreundin

    Bedheim - Die Aufregung ist greifbar. Drinnen in der kleinen Sporthalle in Bedheim sitzen rund 100 Grundschüler auf den Bänken und warten unruhig. Eigentlich hätten sie jetzt Kunst oder Deutsch oder Mathe. Draußen geht derweil Schulleiterin Elke Pommer hin und her. Wann kommt sie denn?

    Mit wenigen Minuten Verspätung fährt Kati Wilhelm auf den Parkplatz, schnappt sich im Auto mehrere Utensilien und geht schnurstracks in die Halle. Tosender Applaus mit Händen und Füßen schwappt ihr entgegen, einige Fotoapparate blitzen. Kati lächelt und wirkt ob des tollen Empfangs tatsächlich etwas verlegen. Wie übrigens auch Frau Pommer und ihre Kolleginnen. Ja, Kati, die dreifache Olympiasiegerin ist wirklich da. Hier in Bedheim, hier in der Grundschule, die sich seit einem Monat mit dem Zertifikat "Kneipp-Schule" schmücken darf. Und am Freitag wird noch die neue Kleinsportanlage am Fußballplatz direkt vor der Schultür eingeweiht.

    Den außergewöhnlichen Besuch haben die Lehrer und gut 100 Schüler Yannick zu verdanken. Yannick Armann geht in die vierte Klasse. Er ist ein guter Schüler, spielt begeistert Fußball in der E-Jugend in Gleichamberg - und war und ist großer Fan von Kati. "Wenn sie gelaufen ist, habe ich ihr immer die Daumen gedrückt", erzählt Yannick. Eines Tages schrieb er Kati einen Brief und lieferte diesen persönlich in Steinbach-Hallenberg ab. Gestern Vormittag bedankte sich die Brieffreundin für die Treue mit einem Besuch in Yannicks Schule.

    Gewehr und Medaillen
    Als Kati nach ein paar netten Begrüßungsworten ein Gewehr auspackt, staunen die Schüler. "Das ist meine Waffe, mit der ich viele Jahre lang unterwegs war", wirft sie in die Runde und weist dabei auf die Sicherheitsbestimmungen hin, die beim Umgang zu beachten sind. Schon schießen die erste Finger in die Höhe und die Fragestunde beginnt. "Haben sie oft vorbeigeschossen?" Was wiegt ein Gewehr?" Was wiegt eine Patrone?" "Wie schnell fliegt ein Schuss?" Allein die Fragen zum Schießen sind sehr vielschichtig. Und man merkt sofort, dass die Kinder gut vorbereitet sind. Solch ein prominenter Gast kommt schließlich nicht alle Tage in den kleinen Ort der Gemeinde Gleichamberg im Landkreis Hildburghausen.

    Die Kinder wollen natürlich noch mehr wissen. "Warst Du schon einmal in Bedheim?" "Als was arbeiten Sie?" "Wie viele Medaillen haben Sie gewonnen?" "Warst Du schon einmal Letzte?" "Haben Sie schon einmal Skispringen gemacht?" Kati hat auf alle Fragen ein Antwort, fügt in ihre Aussagen manch nette Episode ein, gibt den nahezu perfekten Lehrer. Die kleinen, neugierigen Zuhörer erfahren, dass sie tatsächlich schon einmal in Bedheim war und dort als Kind einen Crosslauf gewonnen hat, dass sie noch bis Ende August bei der Bundeswehr angestellt ist, ihren Job als ARD-Expertin fortsetzen wird und ihr Studium bald beenden möchte. Und schmunzelnd gibt Kati zu, dass sie wirklich einmal Letzte war. 2009 bei der WM in Südkorea im Massenstart. Zuvor hatte sie im Sprint und im Einzel jeweils Gold, in der Verfolgung Silber und mit der Staffel Bronze gewonnen.

    Bei der Frage nach der Anzahl der gewonnen Medaillen muss sie zunächst passen. Ein Blick auf eine Autogrammkarte bringt jedoch Aufschluss: 20. Und das nur bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. Spontaner Applaus, wieder mit Händen und Füßen. Als Kati dann ein kleines Säckchen aus der Tasche holt, worin sich ein großes Etui befindet, kehrt wieder Ruhe ein. Als sie die Schachtel öffnet, staunen alle, Schüler, Lehrer und selbst der Bürgermeister, der gekommen ist. Kati hat eine Olympische Goldmedaille von 2002 dabei. Doch dem nicht genug. Auch die Goldmedaille von 2006, die in der Mitte ein Loch hat und einer Schießscheibe ähnelt, kramt sie hervor, und dann noch eine bronzene von den Winterspielen 2010.

    Ein unvergessener Tag
    Nachdem das Frage-Antwort-Spiel bereits eine Stunde dauert, melden sich noch immer einige Kinder. Andere sind mittlerweile müde. Doch als Kati zum Abschluss noch einen dicken Stapel Autogrammkarten auspackt, sind alle wieder munter. Jeder Schüler bekommt eine Karte mit persönlicher Widmung und Unterschrift. Manche nehmen auch zwei oder gar drei, für die Mutti, für die Oma, für die Freundin. Noch ein Foto hier, eine Unterschrift da, eine Umarmung dort, dann fährt Kati wieder vom Hof. Für die Kinder und ihre Lehrer bleibt es ein unvergessener Tag. Dank Yannick, dem Brieffreund.

    Quelle: www.insuedthueringen.de