Sie sind hier: 
  • Biathlon-Ikone Wilhelm trainiert ohne Plan ab
  • Archiv

    13.01.2011

    Biathlon-Ikone Wilhelm trainiert ohne Plan ab

    Vor einem Jahr stand Kati Wilhelm selbst noch am Schießstand, heute kommentiert sie die Leistungen ihrer ehemaligen Kollegen am Mikrofon. Zwischen den beiden Heim-Weltcups in Oberhof und Ruhpolding stand die dreimalige Olympiasiegerin der Zeitung "Thüringer Allgemeine" Rede und Antwort.

    Sie sind zwar als TV-Expertin bei vielen Weltcups mit dabei, aber nicht mehr als Athletin. Fehlt Ihnen irgendetwas?
    Wilhelm: Nee. Wirklich nichts.

    Noch nicht mal eine leise Wehmut erfasst Sie, wenn Andrea Henkel & Co. von den Massen in Oberhof und nun in Ruhpolding angefeuert werden?
    Wilhelm: Nein. Das bestätigt mich, dass ich zum richtigen Zeitpunkt aufgehört habe. Ich fiebere und leide mit, bin aber froh, dass ich nicht mehr selbst laufen muss.

    Ihre Autogramme und Fotos sind bei Fans noch immer sehr begehrt. Kati mit ihrem knallroten Haar wird man vermutlich noch in 20 Jahren erkennen...
    Wilhelm: (lacht)... Nicht von jedem. Ich sollte einen Tag vor dem Weltcup-Auftakt in der Arena mit Ski testen und hatte meine Akkreditierung nicht dabei. Da hat ein Ordner seinen Job wohl sehr ernst genommen. Er wollte mich nicht ins Team-Areal reinlassen. Als ich meinen Namen sagte, meinte er voller Ernst Es könnte jede behaupten, sie sei Kati Wilhelm. Irgendwie habe ich es aber doch noch geschafft.

    Wenn Sie sogar mit Ski testen, dann ist Ihnen enger Kontakt zur Mannschaft noch wichtig?
    Wilhelm: Ja, es ist schön, noch nah am Team dran zu sein. Ich helfe der Mannschaft, wenn es geht, wie eben in Oberhof beim Ski- oder Wachstesten.

    Ihre neue Hauptaufgabe ist jedoch als ARD-Expertin die Leistungen der Biathleten einzuschätzen. Wie schwer fällt Ihnen die Kritik an Ihren ehemaligen Team-Kollegen?
    Wilhelm: Damit habe ich kein Problem. Ich weiß, wovon ich spreche und Kritik gehört nun einmal dazu. Vor der Saison habe ich an die Mannschaft eine Rundmail mit einem Augenzwinkern geschrieben, dass ich die Fronten gewechselt habe und nun ihre Leistung auch kritisch betrachten muss.

    In Oberhof waren Sie für einen Sponsor am Mikrofon. Abgesehen von dem Staffelerfolg der Männer und den Podestplätzen durch Henkel, Neuner und Peiffer mussten sich die Deutschen bestimmt auch negative Kritik von Ihnen gefallen lassen?
    Wilhelm: Ja, wir haben ein Schießproblem. Klar ist es für die Deutschen in Oberhof oder Ruhpolding schwerer, fehlerfrei zu bleiben. Aber insgesamt sind unsere Schießleistungen im Vergleich zu anderen Nationen schlechter.

    Woran liegts?
    Wilhelm: Andere Nationen haben in den letzten Jahren viel Wert aufs Schießen gelegt. Ich denke, es ist auch Kopfsache. Man kann gutes Schießen nicht erzwingen.

    Schon oft wurde über einen Schießtrainer im Verband geredet, die Stelle bleibt aber weiter vakant. Warum?
    Wilhelm: Ich weiß es nicht. Wir haben seit Jahren gute Kontakte zu den Sportschützen in Suhl. Aber zum Biathlonschießen gibt es doch große Unterschiede. Ich denke, die Trainer haben womöglich Angst, noch mehr Leute von außen mit einzubeziehen. Mit Ricco Groß haben wir jetzt zumindest einen Trainer im Team, der selbst guter Schütze war und auf die Ausbildung viel Wert legt.

    Apropos Ausbildung: Wie läuft denn Ihr Studium?
    Wilhelm: Ich hatte zuletzt nicht viel Zeit, aber im Sommer will ich meine Kurse gern abschließen.

    Und danach?
    Wilhelm: Ich weiß, dass ich nicht bis zur Rente TV-Expertin sein kann. Aber bis nächstes Jahr zur WM in Ruhpolding würde ich den Job gern weitermachen. Die Branche ist auf jeden Fall spannend für mich.

    Sind Sie im Moment eher in Thüringen oder in Ihrer Wahl-Heimat Bayern zu Hause?
    Wilhelm: Ich war jetzt öfter in Steinbach-Hallenberg als in meiner Wohnung in Ruhpolding. Mit den vielen Terminen war es einfach logistisch besser.

    Vergessen Sie auch nicht in dem ganzen Trubel abzutrainieren?
    Wilhelm: Da passe ich auf. Im Winter gehe ich jetzt viel Skilaufen. Aber ich finde es schon komisch, dass ich vom Verband keinen Plan zum Abtrainieren bekommen habe. Keiner interessiert sich dafür.

    Quelle: www.tlz.de Michaela Widder / 12.01.11 / TA