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    01.03.2010

    «Ich muss nicht traurig sein«

    Die Hipoltsteiner Zeitung im Interview mit der Biathletin Kati Wilhelm über die Olympischen Spiele mit Staffel-Bronze, Neuners Verzicht und ihre Zukunft.   

    Ihr Markenzeichen sind knallrot gefärbte Haare, ihre Erfolgsliste lässt einen ehrfürchtig staunen. Doch Kati Wilhelm ist fröhlich, klug und schlagfertig geblieben, vier Weltmeister-Titel und drei Olympiasiege haben der 33-jährigen Biathletin aus Zella-Mehlis nie den Kopf verdreht. Nach Saison-Ende will sie entscheiden, ob endgültig Schluss ist, das Staffel-Rennen in Callaghan war definitiv ihr letzter olympischer Wettkampf. Kati Wilhelm holte noch einmal Bronze, mit Simone Hauswald, Martina Beck sowie Andrea Henkel – und ohne Magdalena Neuner.

    Was war das für ein Gefühl, zum siebten und letzten Mal da oben bei der Medaillen-Zeremonie zu stehen?
    Kati Wilhelm: Toll. Da oben kann man nicht oft genug stehen. Ich genieße es jedes Mal wieder. Ja, ein Supergefühl.

    Unabhängig von der Farbe?
    Wilhelm: Für mich schon. Das habe ich vorher auch gesagt, weil ich die anderen Farben ja schon habe. Es ist das Größte, bei Olympia eine Medaille zu gewinnen, egal welche Farbe.

    Sie mussten als eine der ganz großen Favoritinnen aber bis zur allerletzten Gelegenheit warten.
    Wilhelm: Wie sagt man doch? Ende gut, alles gut. Sicherlich hatte ich mir in den Einzelrennen mehr vorgenommen. Ich war auch knapp dran an einer Medaille mit dem vierten Platz im Einzelrennen. Das war ärgerlich. Ich hatte hier bei den Rennen das Glück eben nicht gepachtet. Deswegen ist es umso schöner, dass ich zum Schluss auch ein gutes Rennen gemacht habe und dass wir zusammen Bronze gewonnen haben.

    Sie müssen nach vier medaillenlosen Rennen unter gewaltigem Druck gestanden haben.
    Wilhelm: Wir waren alle heiß. Wir hatten auch das Gold nicht abgeschrieben. Es war unser fester Wille, hier auf jeden Fall eine Medaille zu holen und vielleicht sogar auch um Gold mitzukämpfen. Daran hatte keine gezweifelt. Klar, Fehler passieren immer mal wieder. Nach den Einzelergebnissen gab es dennoch keinen Grund, an meinem Schießen zu zweifeln.

    Auch keine Selbstzweifel?
    Wilhelm: Na ja. Man weiß, was man von sich erwartet, und möchte es auch zeigen. Nachdem es im Einzelrennen so knapp war und im Massenstart so blöd lief, wollte ich schon ein richtig gutes Rennen machen. Mit der ersten Startposition haben mich die Trainer zwar etwas überrascht, aber im Nachhinein war die Taktik auch gut und ich bin froh, dass geklappt hat, was sie wollten (Übergabe als Erste mit Vorsprung/d. Red.). Wir hatten unsere eigene Idee von der Startreihenfolge. In der war ich nicht auf vier, aber auch nicht auf Start.

    Wie haben Sie vom Verzicht Magdalena Neuners erfahren, war es eine Entscheidung des Bundestrainers Uwe Müßiggang?
    Wilhelm: Da müssen Sie den Trainer fragen. Lena kam zu uns und sagte: Ich laufe nicht. Martina kann laufen. Zuerst war es eine große Überraschung für uns. Ich denke, die Entscheidung ist ihr auch nicht leicht gefallen. Aber nach den drei Medaillen wusste sie auch, dass ein wahnsinniger Druck und eine große Verantwortung auf ihr lastet. Sie weiß, dass sie die Staffel auch schon in der Strafrunde beendet hat. Bei Olympia ist da noch mal ein höherer Druck. Ich denke schon, dass Lena wahrscheinlich in der Staffel das Ding so durchgezogen hätte wie in den Einzelrennen. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass sie vielleicht froh war, nicht diesem Druck ausgesetzt zu sein.

    In Deutschland herrscht helle Aufregung, weil sie nicht startete.
    Wilhelm: Wir kriegen hier zum Glück nicht viel mit. Sicherlich verstehen das manche nicht. Und jetzt haben wir kein Gold geholt und werden wahrscheinlich in der Luft zerrissen. Man kann uns aber keine schlechten Schießergebnisse vorhalten. Unser Schießen war super. Der Grund lag sicher woanders. Ich weiß nicht, ob Lena mehr Glück gehabt hätte.

    War der andere Grund das Material?
    Wilhelm: Die Frage muss man den anderen Mädels stellen. Ich hatte einen sehr guten Ski.

    Hätte die Staffel mit Magdalena Neuner gewonnen?
    Wilhelm: Das braucht man nicht weiter zu analysieren, weil das totaler Blödsinn ist. Wir sind ein gutes Staffelrennen gelaufen. Wir haben so gut geschossen wie noch in keinem Staffelwettbewerb dieses Jahr. Wir haben Bronze gewonnen. Das ist das Wichtige, das Schöne. Wir haben auch alle schon zusammen darauf angestoßen, mit der Lena.

    Wie sieht Ihre sportliche Zukunft aus?
    Wilhelm: Weiß ich nicht. Wir haben ja noch drei Wochen Weltcup vor uns. Wenn ich weitermache, dann natürlich bis Ruhpolding (WM-Ausrichter 2012/d. Red.). Aber das wird man sehen.

    Ihr Schlussfazit?
    Wilhelm: Ich muss nicht traurig sein. Mit der Medaille in der Staffel waren die Olympischen Spiele auch für mich sehr schön.

    Hartmut Scherzer