07.02.2014

MAINPOST: „Wenn Biathlon läuft, wird auch geguckt“

Ihr roter Haarschopf ist bekannt aus Zeitungen und Fernsehen – und als „Fernseh-Expertin“ sorgt sie bei den Biathlon-Übertragungen der ARD für Fachkenntnis: Kati Wilhelm, die in Schmalkalden (Thüringen) geborene 37-Jährige, war Deutschlands beste Biathletin, ehe Kollegin Magdalena Neuner ihre Erfolge zu holen begann – inzwischen ziehen beide familiäre Freuden vor. Insgesamt holte die 2010 nach den Winterspielen in Vancouver zurückgetretene Kati Wilhelm 2002 in Salt Lake City, 2006 in Turin sowie 2010 sieben Olympia-Medaillen, darunter dreimal Gold. Ferner war sie fünfmal Weltmeisterin.

FRAGE: Gehen Sie eigentlich zur Pflege ihrer Haarpracht immer noch zu einer Friseurin im Taubertal?
KATI WILHELM: Ja klar, ich fahre nach wie vor zur „Kopfkunst“ nach Bad Mergentheim. Jutta hat meine Haare am besten im Griff, und ihr fallen immer wieder neue Schnitte und Farbkombinationen ein. Ist zwar immer eine ordentliche Strecke von Oberhof ins Taubertal, aber es lohnt sich. Ich sitze dort fast fünf Stunden, die ich aber auch meistens nutze, um ein paar Sachen zu erledigen.

Wie kam die Verbindung zustande?
WILHELM: Für meinen Werbepartner ,Knauf’ stand ein Fotoshooting in Würzburg an, ich brauchte davor noch unbedingt einen Friseur. Und dafür nahm mich Kristin – eine Ex-Fechterin, die mich damals betreute und heute eine gute Freundin von mir ist – mit zu ihrem bevorzugten Friseur, und der ist bis heute mein bevorzugter Laden geblieben.

Der Pony erstrahlt ja unverändert in Rot und ist Ihr Markenzeichen geblieben – obwohl Sie Ihren Biathlon-Sport bloß noch als Fernseh-Expertin begleiten und sich eher ins Familiäre zurückgezogen haben. Der zweite Nachwuchs zeigt sich optisch bereits an . . .
WILHELM: . . . und kommt im Mai zur Welt. Es wird ein Junge, und wir sind schon alle sehr gespannt. Meine Tochter Lotta ist jetzt zwei und ein aufgewecktes Kind, tja, halt meine Mentalität. Wahrscheinlich wird der Sohn mehr meinem Freund ähneln. Ja, die Familie ist mir sehr wichtig. Wir wohnen zusammen mit meinen Eltern in Steinbach-Hallenberg, ganz in der Nähe von Oberhof, wo ich früher immer trainiert habe. Deshalb bin ich der ARD dankbar, dass ich als Expertin beim Biathlon dabei sein darf. Durch die guten Absprachen kann ich den Job gut mit dem Familienleben vereinbaren. Denn es ist immer wieder aufs Neue toll, die Atmosphäre zu erleben. Wenn da die Post abgeht, bin ich nach wie vor mit vollem Herzen dabei.

Das ist wohl kein Wunder: Neben einer Magdalena Neuner, die sich ja ebenfalls zurückgezogen hat, stehen Sie für den gewaltigen Aufschwung des Biathlons im deutschen Sport.
WILHELM: Uschi Disl dürfen Sie da ruhig auch noch hinzuzählen, denn mit ihr stieg in den neunziger Jahren das öffentliche Interesse an unserem Sport, es wurde schließlich gute Arbeit geleistet. Aber richtig los ging der Boom dann plötzlich ab 2002 und den Winterspielen in Salt Lake City – wobei die Uschi sicher nicht
glücklich darüber war, dass ich als Jüngere ihr die so ersehnte Einzel-Goldmedaille im Sprint abgeluchst hatte und sie ,nur’ Silber bekam, in dem Falle wirklich ,nur’ Silber. Denn wegen mir hat sie quasi ihr einziges Einzel-Gold bei den Olympischen Spielen verpasst.

Das weiß man nicht, da ohne Sie das Rennen wiederum eine andere Dynamik gehabt hätte. Vielleicht wäre es dann eine ganz andere gewesen, die an ihr vorbeigesprintet wäre.
WILHELM: Klar, kann sein. Doch in dem Moment war es halt ich, was nicht ganz so einfach fürs Team war. Aber dann haben wir in der Staffel gemeinsam ja auch noch Gold geholt, Katrin Apel und Andrea Henkel waren mit dabei, und dadurch war letzten Endes alles gut. Vor Olympia hatte ich noch naiv gedacht, ach, ich bräuchte ja gar kein Gold. Aber dann war das schon gut und hat auch uns schwer vorangebracht. Ein totaler Idealist war ich nie. Biathlon habe ich schon als meinen Beruf gesehen und wollte damit natürlich auch Geld verdienen. Allerdings sind wir seinerzeit in punkto Erwartungshaltung noch etwas bescheidener an die Sache herangegangen, als es manche Athleten heute tun.

Andrea Henkel ist als einzige Läuferin noch aus Ihren Zeiten verblieben.
WILHELM: Ihre Leistung über all die Jahre finde ich richtig gut.

Gibt es bei Ihren Nachfolgerinnen nicht einige Animositäten, wenn die ,alte’ Ex-Kollegin im Fernsehen erklärt, wie sie zu laufen haben? Ihre TV-Rolle beinhaltet unweigerlich, dass Sie Kritik zu äußern haben, sonst wären Sie am Bildschirm selbst rasch überflüssig.
WILHELM: Ich versuche da schon, die Balance zu finden und meine Kritik eher vorsichtig zu formulieren. Am Abendbrottisch bin ich jedenfalls bei den Damen geduldet.

Täuscht der Eindruck, oder hat mangels einer aktuellen Ausnahmefigur, wie Sie oder Magdalena Neuner das waren, das Interesse am Biathlon inzwischen nicht doch wieder abgenommen?
WILHELM: Die Einschaltquoten sind nach wie vor gut, um die 30 Prozent waren es etwa in Antholz.

Bei diesen stundenlangen Wintersport-Übertragungen samstags ganztägig im Fernsehen schaut doch kein Mensch mehr wirklich hin.
WILHELM: Ich glaube schon, dass sich viele Zuschauer auf das lange Sportwochenende freuen und sich gezielt Veranstaltungen rauspicken, die sie interessieren, wie Biathlon oder Skispringen – läuft Biathlon, wird der auch geguckt. Aber danach bleibt man trotzdem vorm Fernseher – und somit bekommen die weniger populären Wintersportarten auch ihre Präsenz. Diese Möglichkeiten bestehen für die Sommersportarten leider nicht, hier muss der Fan sich individuell über Großereignisse und Sendezeiten informieren. Und daher sind gerade für diese Sportarten die langen Verbundsendungen eine gute Unterstützung.

Haben Sie in Sotschi größere Bedenken in Sachen Sicherheit?
WILHELM: Nein, Olympische Spiele waren und sind seit jeher Angriffspunkte für Verrückte. Das war in Salt Lake City garantiert nicht anders als nun auch. Ich kann den Leuten vor Ort nur vertrauen und bin Polizei-Präsenz entlang der Strecken schon gewohnt. Beim Weltcup in Khanty-Mansiysk in Sibirien patrouilliert die
Staatsmacht an den Loipen ebenfalls. Das Wichtige ist, dass unter der Sicherheitsproblematik der sportliche Charakter der Wettbewerbe nicht allzu sehr leidet. Wobei die letzten Spiele, wo es einigermaßen leger zuging, leider lange her sind.

Wären Winterspiele in München nicht mal wünschenswert gewesen?
WILHELM: Ja natürlich, aber die Bürger haben anders entschieden, obwohl das Bewerbungskonzept gut war. Leider hatten die Macher nicht mit einer so starken Gegenwehr gerechnet. Sonst hätte man sicher die Menschen besser informiert und versucht, sie mehr von den positiven Aspekten zu überzeugen.

Das Problem lag wohl auch daran, dass das Internationale Olympische Komitee trotz des neuen deutschen Präsidenten mal dringend an seinem mangelhaften Image arbeiten sollte.
WILHELM: Vielleicht kriegt Thomas Bach das ja hin. Für den deutschen Sport ist seine Wahl nicht negativ – ich kenne ihn persönlich und bin als Olympionikin stolz, dass er das IOC leitet. Leute in solch hohen Ämtern müssen einfach polarisieren. Wenn man allen gefällt, kann man nicht erfolgreich sein.

Rechtzeitig zu den Sotschi-Spielen hat das leidige Dopingthema den Biathlon erfasst. Experten befürchten schmutzige olympische Wettbewerbe.
WILHELM: Man darf nie annehmen, dass der Spitzensport zu einhundert Prozent sauber ist. Aber um die schwarzen Schafe zu finden, sind umfangreiche Kontrollen nötig. Das funktioniert im Biathlon gut und dient sicher auch der Abschreckung. Deshalb hoffe ich sehr, dass nur saubere Athleten auf dem Podium stehen. Übrigens, noch ein anderes Thema, ich finde es beim Thema Sotschi auch nicht gut, dass Bundespräsident
Joachim Gauck aus rein politischem Grund seinen Besuch bei den Winterspielen abgesagt hat. Denn dort geht es als allererstes um den Sport und die Anerkennung der Leistungen der Athleten für ihre jahrelange
Quälerei.


Quelle: MAINPOST / Jürgen Höpf

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