01.02.2014

Presse: Kati Wilhelm fährt als TV-Expertin nach Sotschi

Thüringer Allgemeine – Die Biathlon-Olympiasiegerin aus Schmalkalden verrät im Interview, dass sie Russland eigentlich mag, aber auch sehr froh ist, dass ihre Eltern zu Hause auf die zweijährige Lotta aufpassen.

An alles gedacht? Die Koffer sind bestimmt schon gepackt. Als TV-Expertin reisen Sie zu den Olympischen Spielen nach Sotschi. Schon mal die Vokabeln aufgefrischt?
Meine Biografie, die kann ich noch herbeten. Sonst habe ich ein paar Standardvokabeln drauf. Aber zu einem ernsthaften Gespräch würde es nicht reichen. Das ist schade. Aber ich bin ganz froh, dass ich das kyrillische Alphabet lesen kann - das ist auch schon mal was und unter Umständen hilfreich.

Sotschi verbinden die meisten von uns nicht zuerst mit einem Wintersportort. Wie haben Sie denn reagiert, als das IOC entschied, die Olympischen Winterspiele 2014 gehen ans Schwarze Meer?
Ach, nicht so überrascht. Vancouver liegt doch auch am Pazifik, die Winterstimmung war da auch nicht so ausgeprägt. Wenn sich eine Stadt für Olympische Winterspiele bewirbt, dann gehe ich davon aus, dass es auch Schnee gibt. Ich bin da sehr aufgeschlossen, freue mich, wenn es in neue Regionen geht, ich mag Russland.

Russland allgemein, die Kaukasusregion? Land und Leute?
Ich habe gute Erinnerungen an Russland. Es war einfach immer eine schöne Atmosphäre bei den Weltcups in Chanty Mansijsk. Biathlon ist in Russland sehr populär, wir sind immer sehr herzlich aufgenommen worden. Die Gastfreundschaft kommt von Herzen.

Also keine Probleme, keine Eingewöhnung nötig?
An die Art, Begeisterung zu zeigen, musste ich mich erst einmal gewöhnen. Erst dachte ich, die wollen uns eher stören, aber die machen das immer so. Am Schießstand ist es nicht leise, sondern immer laut, da geht es zu wie auf dem Fußballplatz.

Die Stimmung im Biathlonstadion wird mit der beim Weltcup in Oberhof aber nicht mithalten können?
Auf keinen Fall. Schon, weil nur fünftausend Zuschauer ins Stadion passen. Und wer weiß, an wen die Karten überhaupt gegangen sind, wer da auserwählt wurde. Ob da nun viele Biathlonfans dabei sind, ich weiß es nicht.

Und wie ist Ihr Eindruck von der Wettkampfstätte?
Das Stadion ist riesig, auf der Strecke geht es dagegen eher eng zu - das ist schade.

Ist Ihnen ein wenig flau im Magen wegen der Sicherheitslage im Kaukasus?
Sicher macht man sich da so seine Gedanken. Doch ich denke, die Olympiaregion wird im Februar die sicherste auf der ganzen Welt sein. Dass bei Großevents Anschläge zu befürchten sind, ist nun mal leider so. Das war 2002 in Salt Lake City auch der Fall - die Ereignisse des 11. Septembers waren noch nicht lange her.

Töchterchen Lotta bleibt aber zu Hause in Steinbach-Hallenberg, oder?
Lotta bleibt zu Hause bei Oma und Opa. Da ist sie gut aufgehoben. Doch wenn es geht, nehme ich sie mit auf Reisen.

Mir ist der Name Lotta aus Astrid-Lindgren-Büchern bekannt, spielten die bei der Namensfindung eine Rolle?
Nein, überhaupt nicht. Ich wollte einen Namen, den nicht jedes Mädel hat und einen, der auch zu meiner Mentalität passt. Und so habe ich gehofft, dass ich ein aufgewecktes Kind bekomme. Und es ist alles so geworden, wie ich es mir vorgestellt habe - der Name Lotta passt sehr gut zu ihr.

Eltern, die kleine Kinder haben, plagt oft ein schlechtes Gewissen, weil sie das Gefühl haben, zu wenig Zeit für ihr Kind zu haben. Wie ist das bei Ihnen?
Ich habe den Vorteil, dass ich eine Woche arbeite, eine Woche zu Hause bin - und das ist ja auch nur im Winter der Rhythmus. Ansonsten kann ich mir meine Zeit ganz gut einteilen. Und wenn ich ehrlich bin: Ich glaube, sie vermisst mich weniger, als ich sie. Lotta ist gut bei meinen Eltern aufgehoben, geht in den Kindergarten - und außerdem sieht sie mich immer mal im Fernsehen.

Haben Sie eigentlich noch Lampenfieber, bevor es vor die Kamera geht?
Nein, nicht mehr. Vielleicht in besonderen Situationen. Vor großen Events wie Weltmeisterschaften und wahrscheinlich auch Olympia. Ja, und am Anfang mal bei den Wettkämpfen in der riesigen Arena Auf Schalke.

Wie hat sich ihr Verhältnis zu den Sportlerinnen, zum Beispiel zu Andrea Henkel geändert, seit Sie eine vom Fernsehen sind?
Gar nicht, überhaupt nicht. Gerade von Andrea bekomme ich immer mal eine wichtige Info, auf die ich eingehen kann. Ich versuche, so nahe wie möglich an der Mannschaft dran zu sein, um Bescheid zu wissen. Ich sitze auch mal im Hotel mit am Abendbrottisch. Ich bin da auch total geduldet, werde nicht als Spitzel oder Informant fürs Fernsehen gesehen - sondern schon noch als die ehemalige Kollegin.

Wenn es mal nicht so läuft bei den deutschen Biathleten, wie dosieren Sie Ihre Kritik?
Ich gehe da einfach von mir aus. Ich habe ja selber einen Anspruch gehabt, und wenn es nicht lief, habe ich ja auch an mir herumkritisiert. Und wenn in dem Moment Kritik von außen kommt, dann ist sie auch angebracht. Aber ich muss die Infos haben, um analysieren und bewerten zu können.

Geben Sie mir ein Beispiel?
Nehmen wir Franziska Hildebrand. Im Staffelrennen beim Weltcup in Hochfilzen, da hat sie komisch nachgeladen, ist im Anschlag geblieben, statt die Waffe runterzunehmen. Das habe ich vor der Kamera angesprochen, und das hat der Trainer aufgenommen. Ich glaube, das kann ich als ehemalige Sportlerin ganz gut einschätzen. Ich kritisiere ja nicht der Kritik wegen. Fairness und Respekt sind das A und O.

Wie sind Sie als Sportlerin eigentlich mit den Medien zurecht gekommen?
Gut. Bei dem einen oder anderen musste man bisschen vorsichtig sein. Ich habe aber mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg gehalten. Jeder wusste schnell Bescheid, dass ich keine bin, die Homestories mag - und das wurde auch akzeptiert. Grundsätzlich ist es ein Geben und Nehmen.

Wie sehen Sie die Chancen, dass die deutschen Biathleten in Sotschi Medaillen holen?
Die sind da. In den Staffeln auf jeden Fall. Auch im Einzel haben alle Sportler das Potenzial nach vorn zu laufen, aber es fehlt im Moment der Siegläufer, in dessen Schatten die anderen mitlaufen, sich auch mal verstecken können. Andererseits hat nun auch jeder seine Chance, sich zu präsentieren, der zukünftige Anführer zu sein - die Stelle ist frei.

Wenn man die früheren Biathlon-Kollegen bei Wettkämpfen so hautnah erlebt, wird man da nicht manchmal wehmütig?
Ein bisschen vielleicht. Vor allem, wenn ich einen Ex-Kollegen auf dem Podium stehen sehe. Aber ich weiß ja auch, wie sehr man sich dafür quälen muss. Und da lässt die Wehmut gleich wieder nach.

Wie steht der deutsche Biathlon heute da? Sie und Magdalene Neuner haben den Sport lange sehr bestimmt.
Klar lebt der Sport von Gesichtern und die Angst war schon bei vielen da, was wohl wird, wenn Lena aufhört. Doch ich denke, die Popularität ist nach wie vor groß. Und das bleibt sie auch, wenn die Erfolge nicht abreißen. Es sind ja viele neue vielversprechende Kolleginnen dabei. Ich kann aber natürlich nicht leugnen, dass es mir schon schmeichelt, wenn Leute mir sagen, dass sie mich vermissen.

Sie waren und sind bis heute bei allen Leuten beliebt. Es gibt keine Skandale, Sie strahlen immer, sind immer freundlich. Sind Sie tatsächlich so ein Sonnenschein?
Natürlich hab auch ich mal einen schlechten Tag. Aber ich war noch nie jemand, der seine schlechte Laune an anderen Menschen auslässt. Ich versuche immer freundlich zu sein. Und das vermittle ich auch meinem Kind.

Wie halten Sie es mit Ihrem Töchterchen. Halten Sie Lotta zum regelmäßigen Sport treiben an? Wird sie vielleicht auch einmal eine Leistungssportlerin werden?
Lotta soll sich bewegen, soll mit Sport aufwachsen, bekommt das ja auch von uns Eltern vorgelebt. Sie mag es, sich zu bewegen. Sie stand letztens schon mal auf Skiern und hat sich nicht mal dumm angestellt. Wenn Sie Lust auf Sport hat, gerne. Wohin das mal führt, muss man sehen. Ich bin von meinen Eltern auch nicht dahin getrietzt worden. Dass sie es mal schwer haben wird, wenn sie in einer Sportart aktiv ist, in der ich erfolgreich war, das ist auch klar. Ich werde sie aber nicht hindern, weil ich weiß, was mir der Sport alles gebracht hat. Ich habe ja nicht nur was für meine Figur getan, sondern viele Erfahrungen fürs Leben gemacht, vom Sport profitiert, viele interessante Menschen kennen gelernt.

Zur Person:

  • geboren: 2. August 1976 in Schmalkalden
  • Biathletin von 1999 bis zum 27. März 2010
  • Olympiasiegerin im Sprint und mit der Staffel 2002 und 2006 im Verfolgungsrennen, fünfmalige Weltmeisterin
  • Wohnort: Steinbach-Hallenberg
  • seit 2010/11 begleitet sie als TV-Expertin die Biathlon-Wettkämpfe
  • Ausbildung: Studium International Management an der Hochschule Ansbach
  • Privatleben: Die 37-jährige Thüringerin ist mit Andreas Emslander, dem Cheftechniker des Deutschen Skiverbandes liiert. Am 22. November 2011 kam Tochter Lotta zur Welt. Beide erwarten im Mai ihr zweites Kind

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